Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
konnte, ihn loszuwerden«, sprach MacBride weiter. »Ich bin froh, sagen zu können, daß die meisten eurer Crewkameraden sind wie Wanderman und nicht wie ihr, und ich dachte, ich stelle gleich ein paar Dinge klar. Wenn jemand von euch Gentlemen in meinem Schiff auch nur einen Zentimeter aus der Reihe tanzt, wird er glauben, daß ihm ein Planet auf den Kopf fällt. Und ihr betet lieber zu eurem Schöpfer, daß ich mich eigenhändig um euch kümmere, denn wenn ihr jemals vor Lady Harrington auftauchen solltet, dann fliegt ihr so schnell in den Bunker, daß euer wertloser Arsch euch erst wieder einholt, wenn ihr schon im Bau sitzt. Und da bleibt ihr dann so lange, daß ihr trotz Prolong alt und grau seid, bevor ihr wieder Tageslicht seht. Das könnt ihr mir glauben. Ich habe schon mit der Alten Lady gedient, und euch feiges Pack verspeist sie zum Frühstück – ohne Salz!«
Sie sprach mit ruhiger, leidenschaftsloser Stimme, und diese Redeweise verlieh ihren Worten um so mehr Gewicht, denn MacBride erweckte nicht den Eindruck, als wolle sie drohen – sie stellte lediglich Tatsachen klar. Aubrey spürte, wie der Groll und die Feindseligkeit der anderen von kreatürlicher Furcht übertüncht wurden.
»Wir haben uns doch schon mal eingeschlossen, Steilman – erinnern Sie sich noch, was damals geschehen ist?« fragte MacBride leise, und die Nasenflügel des Mannes bebten. Er gab keine Antwort, und die Bosun lächelte unheilverkündend. »Nun, nur keine falsche Bescheidenheit. Machen Sie weiter und probieren Sie’s noch einmal. Die Wayfarer hat einen guten Doktor.«
An Steilmans Kiefern spannten sich sichtlich die Muskeln, und MacBrides schmales Lächeln wurde breiter. Obwohl sie kompakt und stämmig gebaut war, konnte Aubrey nicht ganz glauben, was sie da zu sagen schien – bis er auf Steilman schielte und die Furcht in den Augen des Schlägers erkannte.
»Für die Zukunft könnt ihr euch eins merken«, sagte MacBride und ließ den Blick über die Angetretenen schweifen. »Ihr wertlosen Versager werdet euch in meinem Schiff kein Versagen erlauben. Ihr werdet eure Arbeit tun und eure Nasen sauber halten, und der erste von euch, der sich nicht daran hält, wird es bereuen – und zwar zutiefst. Ist das klar?« Niemand sprach ein Wort, und sie erhob die Stimme. »Ich habe gefragt: Ist das klar? «
Ein heiserer Chor der Zustimmung antwortete, und die Bosun nickte.
»Gut.« Sie drehte sich um, als wollte sie gehen, und hielt inne. »Eine Sache noch«, sagte sie ruhig. »Wanderman ist in diesen Raum gelegt worden, weil ich sonst nirgendwo Platz für ihn hatte. Ihr werdet feststellen, daß sich in Kürze ein halbes Dutzend Marines zu euch gesellt, und ich empfehle euch deshalb, euch zu beherrschen. Ganz besonders lege ich euch ans Herz, dafür zu sorgen, daß Wanderman nichts … Bedauerliches … widerfährt. Wenn er sich auch nur den Zeh stößt, dann, das verspreche ich euch, wird sich jeder einzelne von euch wünschen, nie geboren worden zu sein. Mir ist es egal, was man euch in eurem letzten Schiff hat durchgehen lassen. Mir ist es auch egal, womit ihr gerne in meinem Schiff durchkommen würdet. Denn, Herrschaften, hier läßt man euch überhaupt nichts durchgehen.«
Ihre Stimme war eisig, und sie lächelte ein letztes Mal, dann drehte sie sich um und stolzierte aus der Abteilung. Mehr als alles in seinem ganzen Leben zuvor wollte Aubrey Wanderman ihr hinterherrennen, aber er wußte, daß das nicht möglich war, und mußte hart schlucken, als er sich den anderen zuwandte.
Steilman funkelte ihn mit blankem, unverhohlenem Haß an; seine Lippen bebten. Aubrey mußte seinen gesamten Mut zusammennehmen, um vor dem Energietechniker nicht zurückzuweichen, aber er blieb stehen und versuchte, nicht eingeschüchtert auszusehen. Steilman spuckte aufs Deck.
»Die Sache ist noch nicht vorbei, Rotznase«, schwor er leise. »Wir werden lange im gleichen Schiff sein, und Rotznasen haben oft Unfälle .« Er zeigte die Zähne. »Selbst Bosuns haben manchmal einen Unfall.«
Er kehrte Wanderman den Rücken zu und zerrte seine abgenutzte Kiste zu der Koje, die MacBride ihm zugewiesen hatte. Aubrey ließ sich auf seine eigene Liege sinken und bemühte sich, das Beben zu verbergen, das im Nachhinein seinen Leib durchfuhr. Nie zuvor hatte er solchen häßlichen, giftigen Haß in einer Stimme gehört – und schon gar nicht auf sich bezogen. Das war nicht fair! Er hatte Steilman nichts zuleide getan. Der Energietechniker jedoch hatte
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