Honor Harrington 7. In Feindes Hand
dem W-Display des Kommandosessels, dann deutete sie auf das winzige Icon, das den vermutlichen Ankunftspunkt des Geleitzugs markierte.
»Zehn Minuten«, sagte sie leise, und McKeon nickte.
»Zehn Minuten«, stimmte er zu, »und Bandit-Eins ist nicht mehr in der Lage anzugreifen, bevor sie wieder in den Hyperraum gehen.«
»Auch wir, die wir davonlaufen, dienen«, entgegnete Honor mit schmalem Lächeln, und McKeon überraschte sie beide, als er ungekünstelt auflachte.
Der Augenblick der Belustigung währte indes nicht lange, und McKeons Blick richtete sich wieder auf den Plot, als übe dieser eine magnetische Anziehungskraft auf seine Augen aus. Der verzweifelte Versuch der Prince Adrian , Bandit-Eins vom Transitionspunkt des Geleitzugs fortzulocken, war zwar von Erfolg gekrönt gewesen, doch mittlerweile war offenbar geworden, wieviel Feuerkraft die Haveniten für ihren Überfall abgestellt hatten. Zu den anfangs vier georteten Schiffen waren inzwischen fünf weitere hinzugekommen, und zwar drei Zerstörer, ein Leichter Kreuzer und ein größeres Schiff, bei dem es sich nur um einen Schlachtkreuzer handeln konnte. Keines dieser fünf Schiffe besaß auch nur die geringste Chance, die Prince Adrian einzuholen, doch schon ihre Anzahl und der Umstand, daß sie es dennoch versuchten, verrieten Unheilverkündendes über denjenigen, der diesen Hinterhalt ersonnen hatte. Der havenitische Kommandeur hatte seine Schiffe mit solcher Sorgfalt positioniert, daß es der Prince Adrian selbst dann noch schwergefallen wäre, ihnen auszuweichen, wenn sie gleich zu Anfang alle entdeckt hätte. Ganz offensichtlich beabsichtigte der feindliche Befehlshaber, so viel Feuerkraft einzusetzen, wie er nur konnte. Ihm ging es weder um Ebenbürtigkeit noch um einen einfachen Vorteil, sondern um vernichtende Überlegenheit. Wo zahlreiche Kommandeure es aufgegeben und ihre hinteren Einheiten zurück auf die Anfangspositionen gepfiffen hätten, hatte dieser sich völlig anders verhalten. Die Zahlen mochten behaupten, daß er keine Chance hatte, die Prince Adrian zu fangen, aber diese Zahlen sagten nichts darüber aus, wie stark die Schäden sein würden, die das manticoranische Schiff in dem bevorstehenden Gefecht mit Bandit-Eins davontrug, und Bandit-Eins näherte sich ihm beharrlich von Steuerbord. Wenn die Adrian einen schweren Impellerschaden oder einen Zufallstreffer in andere wichtige Systeme erlitt – oder wenn sie einfach nur gezwungen wurde, scharf von ihrem Gegner abzudrehen –, bestand durchaus die Möglichkeit, daß ein anderer Verfolger nahe genug herankam, um anzugreifen. Obwohl dies recht unwahrscheinlich war, rückte der unbekannte havenitische Kommandeur der Adrian mit allem auf den Pelz, was er nur aufbieten konnte, und das würde er weiterhin tun, solange auch nur die geringste Möglichkeit bestand, daß er damit etwas ausrichten konnte. Dieses Verhalten war sehr, sehr unhavenitisch.
McKeon löste den Blick vom Plot und sah seine Geschwaderchefin an. Er preßte die Lippen zusammen, zögerte noch einen Augenblick und beugte sich schließlich dicht zu ihr hinüber.
»Honor, würdest du nun bitte von hier verschwinden und in einen Rettungsanzug steigen?« sagte er so leise, daß niemand außer ihr seine Worte verstehen konnte; dennoch klang er heiser vor Beunruhigung.
Honor blickte ihn mit ihren düsteren, schokoladenbrauen Augen an, und er spürte, daß er bei ihrem gelassenen Gesichtsausdruck am liebsten laut mit den Zähnen geknirscht hätte. Fragend zog er eine Augenbraue hoch. Honor hob die Hand, um Nimitz über die Ohren zu streichen, und der ‘Kater schmiegte sich an ihre Hand. McKeon brauchte keinen telempathischen Link zu Nimitz, um zu ahnen, daß er Honor mit tief besorgtem Schnurren drängte, der Bitte nachzugeben. Doch Nimitz’ Rat beeindruckte sie ebensowenig wie McKeons Ersuchen.
»Ich muß hierbleiben«, sagte sie sanft, und McKeon schnappte ärgerlich nach Luft. Am liebsten hätte er sie am Nacken gepackt, von der Brücke geschleift und seinen Marines mit dem Befehl übergeben, sie zu ihrem eigenen Besten in einen Rettungsanzug zu stopfen. Die Tatsache, daß ein solcher Versuch für ihn in einem schnellen und demütigenden Fiasko enden würde, nahm der Vorstellung nichts von ihrem Reiz … nur machte sie die Idee undurchführbar. Selbst wenn LaFollet ihm nicht den Kopf abriß, weil er es wagte, Hand an die Gutsherrin von Harrington zu legen, konnte Honor ihn jederzeit zu einem Schlipsknoten binden, wenn
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