Honor Harrington 7. In Feindes Hand
weggehört haben, denn Caslet war nicht verhaftet worden. Theisman hatte sein Bestes getan, um seinen Operationsoffizier zu schützen – er hatte ihn eilends auf eine Rundreise geschickt, um die äußeren Sensorplattformen der Systemverteidigung zu inspizieren. Viel ist das nicht , dachte er bitter, aber so wie’s aussieht, bedeutet es schon einen entscheidenden Sieg, Warner aus den Fängen der Systemsicherheit zu halten.
Der Shuttle setzte auf, die Luke öffnete sich, und nun erst stellte Theisman fest, daß sich die Gefangenen bereits in Gewahrsam der SyS befanden. Unverwechselbar, die Uniformen der aussteigenden Wächter, und der Shuttle trug die Rumpfnummer von VFS Tepes . Darüber hinaus gehörten auch die Posten rings um das Landefeld der SyS an; kein einziger Angehöriger der Volksflotte oder des Marinecorps war anwesend. An SyS-Leuten hingegen herrschte kein Mangel, und jeder einzelne von ihnen war bis an die Zähne bewaffnet. Andererseits war die SyS grundsätzlich bis an die Zähne bewaffnet. Ihre Soldaten waren auch nie allein, sondern immer wenigstens zu zweit, und unbewaffnet gingen sie nirgendwohin. All das verriet einiges, entweder über ihr krankhaftes Mißtrauen oder über das Ansehen, das sie bei dem Volk genossen, welches sie eigentlich schützen sollten – eventuell sogar über beides. Theisman hätte am liebsten verächtlich den Mund verzogen, aber heute war wohl kaum der richtige Tag, um seine Abscheu zur Schau zu stellen – nicht, wenn seine Vermutung darüber zutraf, warum so viele Wächter zugegen waren.
Er blickte zum Terminal hinüber, wo Ransom stand und sich beiläufig mit dem Kommandanten der Tepes unterhielt, Bürger Captain Vladovich. Allein Vladovichs Anwesenheit strapazierte Theismans ohnehin blankliegende Nerven noch mehr, denn der Bürger Admiral kannte den Mann und wußte genau, daß er seinen gegenwärtigen Rang niemals hätte erreichen dürfen. Kurz vor Ausbruch des Krieges hatte Theisman einem Prüfungsausschuß angehört, der unter anderem über die Beförderung von Vladovich zum Lieutenant Commander entscheiden mußte – sie jedoch abgelehnt hatte, und zwar zum siebzehnten Mal. Vladovich war mehr als sechsundzwanzig T-Jahre lang Lieutenant geblieben. Selbst in einer Flotte, in der man Beziehungen zu einer Legislaturistenfamilie brauchte, um jemals Flaggoffizier zu werden, war es mehr als unüblich, daß ein Offizier den besseren Teil dreier Jahrzehnte im gleichen Rang verbrachte, wenn seine Laufbahn nicht in eine Sackgasse geraten war. Genau dies aber traf bei Vladovich zu. Sein unleugbarer Ehrgeiz, sein Antrieb und seine Erfahrung machten ihn zu wertvoll, als daß man ihn hätte auffordern können, seinen Abschied zu nehmen; aber sein häßlicher Hang zum Sadismus machte eine Beförderung zum Stabsoffizier völlig unmöglich. Dazu genoß Vladovich es zu sehr, seine Untergebenen zu peinigen, ohne jemals – offen – den Buchstaben des Reglements zu verletzen. Eine derartige Neigung tolerierten Legislaturisten nur bei ihresgleichen, und obwohl Theisman den legislaturistischen Würgegriff um die höheren Stufen der Rangleiter immer gehaßt hatte, war er froh gewesen, daß wenigstens Vladovich sie niemals ersteigen würde. Der ewige Lieutenant hingegen hatte den Grund für das Ausbleiben seiner Beförderung nie begriffen und war fest davon überzeugt gewesen, es läge daran, daß er eben kein Legislaturist war. Am Ende glaubte er sogar – er behauptete es nicht nur, er glaubte es inbrünstig –, das Opfer einer Intrige zu sein, eines kühl kalkulierten Komplotts, ihm trotz seiner Verdienste einen höheren Dienstgrad vorzuenthalten, weil er sonst mit seiner Tüchtigkeit die Legislaturisten ringsum in Verlegenheit gebracht hätte.
Unter dem alten Regime war diese Haltung erbärmlich gewesen; unter dem neuen wurde er dadurch zum natürlichen Kandidaten für die paramilitärische Truppe der SyS. Trotz all seiner Makel besaß Vladovich solide Kenntnis über die Mechanismen einer Weltraumflotte und war für seine Inbrunst bei der Ausmerzung und Vernichtung von ›Volksfeinden‹ bekannt geworden. Leider schien er jedoch überhaupt nichts über die Verantwortung eines kommandierenden Offiziers gelernt zu haben. Er galt als unbeliebt, sogar bei anderen SyS-Angehörigen, und den Berichten zufolge befehligte er die Tepes , als wäre sie sein Privatbesitz und ihre Besatzung seine Leibeigenen (ausgenommen nur seine persönlichen Lieblinge). Zwar war er stets sorgfältig darauf
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