Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Hyperlog entwickelt wurde (das bei den Raumfahrern meist einfach HL heißt). Das HL funktioniert analog den Trägheitssteuerungssystemen, wie man sie im 20. Jahrhundert n. Chr auf Alterde erfand. Das Hyperlog errechnet die Position des Schiffes, indem es die Daten außerordentlich empfindlicher Sensorensysteme mit den bekannten Leistungswerten der Triebwerke in Zusammenhang setzt und genau alle Schwerkraftgradienten erfasst, die das Schiff durchlaufen hat; man sagt, es erstellt einen ›gegissten‹, in Echtzeit ermittelten ›Koppelort‹. Die Ausgleichsrechenleistung eines Hyperlogs aus der Anfangszeit war schon so groß, dass die maximale Kursabweichung höchstens zehn Lichtsekunden pro Lichtmonat betrug. Nach einer Reise über sechzig Lichtjahre wich der vom HL ermittelte Koppelort also um bis zu zwei Lichtstunden von der tatsächlichen Position des Schiffes ab. Daher mussten die frühen Hyperraumnavigatoren außerordentlich vorsichtig sein und in ihren Kursberechnungen eine großzügige Fehlertoleranz einkalkulieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts P. D. beträgt der Fehler eines Hyperlogs weniger als,4 Lichtsekunden pro Lichtmonat. Am Ende einer 60 Lichtjahre weiten Reise weicht der Koppelort damit um nicht mehr als 288 Lichtsekunden von der wahren Position ab, also 86.340.240 km oder weniger als fünf Lichtminuten.
Von Anfang an war bekannt, dass zahlreiche Hyperbänder existieren und dass die Kongruenz zwischen den Punkten des Normalraums umso enger wird, je höher der Energieinhalt des jeweiligen Hyperbandes ist. Auf höheren Bändern lässt sich daher eine höhere anscheinende Überlichtgeschwindigkeit erzielen, und doch war die Benutzung dieser höheren Bänder zunächst unmöglich. Dafür gab es zwei Gründe.
Zum einen ›zapft‹ die Transition von einem Band zum nächsten dem Schiff ebenso Geschwindigkeit ab wie der Übergang vom Normal- in den Hyperraum. Transistiert ein Schiff ins nächsthöhere Band, beträgt der Entzug an Impuls 92% des Geschwindigkeitsverlustes, den es bereits bei der Transition ins vorhergehende Band erlitten hat. (die Alpha-Transition entzieht also 92, %, die Beta-Transition 84,64 %; beim Eintritt in das Gamma-Band verliert man 77,87 % usw.). Dieser Geschwindigkeitsverlust muss nach jeder Transition wieder wettgemacht werden. Durch den Treibstoffbedarf jedes Reaktionsantriebs wurde diese Vorbedingung jedoch unerfüllbar.
Zum anderen ist es problematisch, dass die Grenzflächen zwischen zwei Hyperbändern Zonen sehr starker und in höchstem Maße unberechenbarer Energieflüsse sind. Sie erzeugen die Dimensionsscherung, an der so viele frühe Hyperschiffe scheiterten. Je höher das Band liegt, desto stärker werden die vernichtenden Kräfte. Auch die relativ sicheren unteren Bänder, die sich damals zuverlässig erreichen ließen, sind gekennzeichnet von heftigen Energieflüssen und Strömungen – fast Strudeln – hoch geladener Partikel und verzerrter Gravitationswellen. Die Wirkung der Strahlung ließ sich schon damals durch Schirmfelder abhalten, doch ganz gleich, in welchem Band sie auftritt, die Gravitationsscherkraft reißt auch das widerstandsfähigste Schiff in Fetzen.
Im Hyperraum erfährt man Gravitationswellen als gebündelte, verzerrte Schwerkraft in ausgedehnten Raumzonen, die manchmal fünfzig Lichtjahre durchmessen und im Mittel halb so breit sind wie tief. Während die Gravitationsverzerrung sich gebündelt durch den Hyperraum bewegt, bleibt die Welle selbst stationär. Energie und geladene Teilchen, die in ihr gefangen sind, bewegen sich indes mit Lichtgeschwindigkeit oder annähernder Lichtgeschwindigkeit. So gesehen wirkt die Gravwelle als räumlich fixierter Träger von Energie; allerdings lässt sich meist eine schwache Seitenverschiebung oder Abdrift beobachten. Hauptsächlich diese Gravwellen-Abdrift ist es, die sie so gefährlich macht: Ein modernes Vermessungsschiff kann mit seinen Sensoren die Position einer Gravwelle genau bestimmen, doch besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie sich nicht mehr an der gleichen Stelle befindet, wenn das nächste Schiff eintrifft. In den am meisten bereisten Gebieten der Milchstraße sind die wichtigsten Gravwellen kartiert und über Jahrhunderte beobachtet worden. Über sie liegt genügend Datenmaterial vor, um ihre Abdrift mit hinreichender Genauigkeit vorhersagen zu können. Die meisten Wellen kann man darüber hinaus als ›verankert‹ betrachten, weil sie sich nur unwesentlich verschieben und überdies
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