Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
zwischen den Impellern und der Welle beseitigt wurde. Und noch mehr: Die neuen Impellerfelder vermochten ein Schiff in Bezug auf die Gravwelle zu stabilisieren und erlaubten ihm, in die Welle einzutauchen, ohne das übliche Risiko der Gravscherung einzugehen. Letztendlich rüstete der Umbau der Fleetwing das Experimentalschiff mit gigantischen, immateriellen Segeln aus: kreisförmigen, plattenähnlichen Gravitationsbändern, die mehr als zweihundert Kilometer durchmaßen. Der Gravwellen-Detektor, der Gravwellen erkennen und analysieren konnte, und die abgewandelten Impelleremitter, für welche Prof. Warshawski den Begriff ›Alpha-Emitter‹ prägte, erlaubten einem Sternenschiff, im wahrsten Sinne des Wortes ›die Segel zu setzen‹ und mithilfe der gebündelten Strahlung in den natürlichen Hyperraum-Gravwellen unfassbare Beschleunigungswerte zu erzielen.
Und das war noch nicht einmal alles: An der Grenzfläche zwischen Segel und natürlicher Gravwelle treten Wirbel von unvorstellbar hohen Energiewerten auf, die man ›absaugen‹ und speichern kann. In letzter Konsequenz bezieht ein Sternenschiff, sobald es die Segel gesetzt hat, aus der Gravwelle genügend Energie, um die Segel aufrechtzuerhalten und abzustimmen – und um jeden darüber hinausgehenden Energiebedarf zu decken. Ein Schiff unter Warshawski-Segeln kann also seine Kraftwerke herunterfahren, bis es die Gravwelle wieder verlässt. Bis dahin benötigt es keine Reaktionsmasse und nur sehr wenig Reaktorbrennstoff; unbegrenzt kann es hohe Beschleunigungswerte beibehalten. Der Geschwindigkeitsverlust beim Durchbrechen der ›Mauer‹ zwischen den Hyperbändern ist daher kein Problem mehr. Mit der Erfindung des Warshawski-Segels war die Benutzung der höheren Hyperbänder erstmals in greifbare Nähe gerückt.
Adrienne Warshawskis neuer Antrieb bedeutete den Durchbruch zur Erzielung kürzerer interstellarer Transitzeiten. Zwar beträgt auf jedem Hyperband die risikolose Höchstgeschwindigkeit,6 c, doch sorgt auf den höheren Bändern die engere Punktkongruenz für einen drastischen Zuwachs im Überlichtfaktor. Vor Einführung des Warshawski-Segels bedeutete jede Transition in höhere Bänder nicht nur wegen der Dimensionsscherkraft ein enormes Risiko, auch der Geschwindigkeitsverlust machte sie für jedes Schiff höchst unwirtschaftlich, das nur mit einem Reaktionstriebwerk ausgerüstet war. Nun aber, da die verlorene Geschwindigkeit rasch zurückgewonnen werden konnte, ließen sich die höheren, ›schnelleren‹ Bänder benutzen, um ein viel höheres Durchschnittstempo zu erzielen. Auf diese Weise wurde die früher so gefürchtete Gravwelle zum Mittel des immer ökonomischeren Hyperraumflugs, und Kapitäne, die früher den Gravwellen entsetzt ausgewichen waren, benutzten nun ihre Messgeräte, um gezielt nach ihnen zu suchen.
Nicht immer führen Gravwellen in die gewünschte Richtung, und manchmal fehlen sie ganz; man lernte jedoch rasch, sich zwischen den Gravwellen mit dem gewöhnlichen Impellerantrieb zu bewegen. Durch den Gravdetektor konnte man jeder unerwünschten Welle mühelos ausweichen. Das Interferenzrisiko bestand somit nicht länger.
Während ein Schiff unter Warshawski-Segeln normalerweise quasi ›mit Wind von achtern‹ fährt, ist es durchaus möglich, eine Gravwelle zu kreuzen. Das Schiff kann dabei einen Winkel von bis zu 60° zur Welle einnehmen, bevor es an Schubwirkung einbüßt, und bis zu 85° aufkreuzen, bevor jeder Antrieb verloren geht. Auf gleiche Weise kann es mit Eintrittswinkeln von bis zu 45° ›hart am Winde‹ oder an der Gravwelle segeln; bei Winkeln über 45° muss das Schiff gegen die Welle kreuzen. Der Rückweg dauert normalerweise länger als der Hinweg, wenn das Schiff Letzteren in Richtung der Gravwelle zurückgelegt hat.
Auf diese Weise erfuhren im Zeitalter der interstellaren Raumfahrt die alten ›Windjammer-Techniken‹ neue Anwendung, nur dass sie diesmal an die Feinheiten des Hyperraums und der Überlichtreisen angepasst werden mussten. Um 1750 P. D. waren indes die Segel-Abstimmer soweit entwickelt, dass der Auffangfaktor eines Segels weitaus gezielter gehandhabt werden konnte als ursprünglich. Vor allem ließ sich nun ein negativer Auffangfaktor erzielen, was einem Sternenschiff gestattete, direkt ›in den Wind‹ zu segeln. Das Risiko eines Segel-Versagers stieg dabei nur unwesentlich an.
Das Warshawski-Segel erlaubte es ferner, die ›Mauer‹ zwischen den Hyperbändern weitaus sorgloser zu
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