Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
begegnet.
Bis an diese Stelle war Stephanie ohne größere Schwierigkeiten gelangt. Ohne zusätzliche Daten kam sie jedoch nicht weiter, und zum ersten Mal, so weit sie sich zurückerinnern konnte, fiel ihr keine Möglichkeit ein, sich weitere Daten zu beschaffen. Da konnte man ruhig Klassenbeste sein, es in die Endrunde der planetaren Schachliga geschafft haben und die meisten Probleme mit überwältigendem Selbstvertrauen angehen – diesmal war sie um eine Antwort verlegen. Alle verfügbaren Recherchemöglichkeiten hatte sie ausgeschöpft, und wenn sie noch mehr Informationen wollte, musste sie sich selbst welche beschaffen. Dazu aber waren Nachforschungen vor Ort erforderlich, doch wie sollte eine Elfjährige – die zudem ihren Eltern hoch und heilig versprochen hatte, nicht allein in den Wald zu gehen – eine völlig unbekannte Spezies erforschen, ohne irgendjemanden in das Geheimnis einzuweihen?
In gewisser Hinsicht war sie nun dankbar, dass ihre Mutter wegen zu großer Arbeitsbelastung das Versprechen nicht einlösen konnte, mit ihr hin und wieder Ausflüge in die Natur zu unternehmen. Über das Angebot ihrer Mutter hatte sich Stephanie sehr gefreut, obwohl ihr damals schon klar gewesen war, dass sie an der Seite ihrer Mutter kaum die Art intensiver Erkundung anstellen konnte, die ihr vorschwebte. Nun aber wäre die Gegenwart ihrer Mutter ein ernsthaftes Hindernis für jeden Versuch gewesen, insgeheim private Forschungen anzustellen.
Leider hatte nun ihr Vater beschlossen, als Ausgleich für die ›Enttäuschung‹ die Drachensegellektionen fortzusetzen, denen die Abreise von Meyerdahl ein Ende gemacht hatten. Stephanie genoss das Hochgefühl, das sich beim Fliegen einstellte, auch wenn Daddy darauf bestand, dass sie ›für alle Fälle‹ einen Not-Kontragrav mitführte. Niemand hätte ein besserer Fluglehrer sein können als Richard Harrington, der auf Meyerdahl dreimal die kontinentalen Endausscheidungen im Drachensegeln erreicht hatte. Doch jede Unterrichtsstunde war eine Stunde, die sie nicht damit verbringen konnte, ihre faszinierende Entdeckung zu erkunden. Lehnte sie den Unterricht aber ab – oder genoss sie ihn nicht –, käme ihren Eltern bald der Verdacht, dass ihr etwas anderes im Kopf herumspukte. Als wäre das noch nicht genug, bestand Daddy darauf, für den Unterricht mit ihr nach Twin Forks zu fliegen. Das war durchaus vernünftig, denn im Gegensatz zur Mutter musste er fünfundzwanzig Stunden am Tag ›auf Abruf bereitstehen‹ und Twin Forks bildete für die Gehöfte der Umgebung den zentralen Knotenpunkt. Von der Stadt aus konnte er jedes einzelne von ihnen am schnellsten erreichen. Indem er Stephanie dort unterrichtete, konnte er zwei oder drei andere Eltern mit Drachenflugerfahrungen als Hilfslehrer rekrutieren und die anderen Kinder der Siedlung ebenfalls an den Lektionen teilnehmen lassen. Genau diese Großzügigkeit war typisch für Stephanies Vater, doch dummerweise kostete sie der Unterricht nun nicht nur einen gewaltigen Batzen Freizeit, sondern fand auch achtzig Kilometer von der Stelle entfernt statt, an der sie dringlicher als je zuvor mit den Erkundungen beginnen wollte, die nicht anzustellen sie ihren Eltern versprochen hatte.
Noch hatte sie keinen Weg ersonnen, um diese Barriere zu umgehen, war aber entschlossen, eine Lösung zu finden – ohne ihr Wort zu brechen, ganz gleich, wie viel schwieriger es dadurch wurde. Wenigstens war ihr schon ein Name für das Wesen eingefallen. Es sah aus wie ein stark geschrumpfter Hexapuma, und wie der Hexapuma hatte die neue Art etwas sehr Katzenhaftes an sich – vielleicht war das unausweichlich. Stephanie wusste zwar, dass sich das Wort ›Feliden‹ auf eine ganz bestimmte Familie derjenigen Arten bezog, die sich auf Alterde entwickelt hatten, doch im Laufe der Jahrhunderte hatte es sich eben eingebürgert, altirdische Namen auf außerirdische Spezies anzuwenden (daher auch die sphinxianischen ›Chipmunks‹ oder die ›Fastkiefer‹, an der keine Zapfen, sondern Schoten wuchsen). Im Allgemeinen hieß es, dass diese Gewohnheit einem im Menschen verankerten Heimweh und dem Wunsch nach Vertrautheit in fremdartiger Umgebung entsprang. Stephanie neigte allerdings eher der Ansicht zu, dieser Brauch sei auf Faulheit zurückzuführen, denn auf diese Weise mussten sich die Menschen gar nicht erst mit allem Neuem, dem sie begegneten, wirklich auseinander setzen, sondern konnten es mit einem altbekannten Etikett versehen. Trotzdem hatte
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