Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
sie beschlossen, dass unter allen denkbaren Namen der Begriff: ›Baumkatze‹ die einzig sinnvolle Wahl darstellte, und sie hoffte, dass die zoologische Systematik ihn übernehmen würde, sobald Stephanie mit ihrer Entdeckung an die Öffentlichkeit gegangen war. Vermutlich aber, so sagte sie sich verdrießlich, würde man ihr Alter in dieser Auseinandersetzung als Gegenargument heranziehen.
Und wenn es ihr nun auch noch immer nicht gelungen war herauszufinden, wie sie die Baumkatzen erforschen sollte, ohne Wortbruch zu begehen – was völlig außer Frage stand, ganz gleich, wie sehr es ihr danach in den Fingern juckte –, wenigstens wusste sie, in welcher Richtung sie nach den Ureinwohnern zu suchen hatte. Woher sie das wusste, konnte sie nicht sagen, aber sie hegte keinen Zweifel, dass sie, wenn es endlich so weit war, mit untrüglicher Sicherheit wissen würde, wohin sie gehen musste.
Sie schloss die Augen, streckte den Arm vor und zeigte in eine bestimmte Richtung. Dann öffnete sie die Augen wieder und schaute nach, wohin ihr Zeigefinger wies. Als sie es das letzte Mal ausprobiert hatte, zeigte ihr Finger in eine leicht andere Richtung, und doch war es über jeden Zweifel erhaben, dass sie genau dorthin wies, wo sich die Baumkatze befand, die aus dem Gewächshaus ihrer Mutter Sellerie gestohlen hatte.
Und das war, wie sie fand, der merkwürdigste – und aufregendste – Aspekt des Ganzen.
6
Als Marjorie Harrington die letzten Genveränderungen an ihrer neuesten mikrobenresistenten Kürbisart ausgearbeitet hatte, schloss sie die Datei und lehnte sich seufzend zurück. Einige der sphinxianischen Farmer führten an, dass es viel leichter wäre und schneller ging, wenn man einfach ein Mittel ausstreute, das der Mikrobe den Garaus machte. Leute, die mit Schädlingen konfrontiert wurden, hatten offenbar ständig solche Ideen, und manchmal, das gestand Marjorie durchaus ein, stellte diese Möglichkeit nicht nur die simpelste, sondern auch die billigste und ökologisch sinnvollste Lösung dar. Das galt ganz besonders dann, wenn der fragliche Parasit selber genetisch verändert war, eine neue Mutation, kein alteingesessener Teil des Ökosystems. Diesmal aber hatte Dr. Harrington und die planetare Verwaltung an einem Strick gezogen und sich vehement den sprühwütigen Landwirten entgegengestellt, und wenn ihre Lösung auch länger gedauert hatte als ein aggressiveres Vorgehen, so stellte sie doch die am wenigsten zudringliche dreier alternativ möglicher genetischer Veränderungen dar und wurde an der Pflanze vorgenommen, nicht an der Mikrobe. Auf einem Planeten, dessen Leben man noch erforschte, war es immer die beste Entscheidung, größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen, um jede negative Auswirkung auf den Lebensraum zu vermeiden. Dr. Harrington erwartete deshalb, dass die landwirtschaftlichen Kartelle und das Innenministerium sich mit ihrer Lösung einverstanden zeigten, obwohl die Überstunden, die sie in das Projekt investiert hatte, die Kosten in die Höhe trieben.
Als sie an die Bürohengste dachte, verzog sie ironisch das Gesicht. Sie musste zugeben, dass der hiesige Amtsschimmel weit weniger aufdringlich – und viel vernünftiger – war als auf Meyerdahl, doch das lag daran, dass das Sternenkönigreich erst auf eine Geschichte von weniger als sechzig T-Jahre zurückblicken konnte. Wenn diese Kolonien erst einmal so alt waren wie Meyerdahl, besaßen sie wahrscheinlich ebenfalls sämtliche festgefahrenen engherzigen Verwaltungsgetriebe, wie der fantasieloseste, an pedantischen Vorgehensweisen klebende Bürotyrann sie sich nur wünschen konnte.
Dann plötzlich grinste Marjorie Harrington. Dabei ähnelte sie bemerkenswert ihrer Tochter. Das Grinsen verging ihr jedoch rasch, als sie sich vom Kürbis ab- und anderen Themen zuwandte. Im Laufe der letzten Wochen hatte sie sehr viel zu tun gehabt, denn auf Sphinx’ südlicher Hemisphäre näherte sich mit Eilschritten die Saatzeit. Nun, da das Kürbisprojekt abgeschlossen war, kehrte das nagende Schuldgefühl mit voller Macht zurück. Zwar konnte man ihr kaum anlasten, dass die vielen Aufträge unter Zeitdruck ihr nicht gestattet hatten, längere Ausflüge mit Stephanie zu unternehmen, doch hatte sie noch nicht einmal die Zeit gefunden, ihrer Tochter bei der Aufklärung der Selleriediebstähle zu helfen, welche schließlich auch das Harringtonsche Gehöft erreicht hatten.
Zum Glück hatte wenigstens Richard genügend Muße, um Stephanies
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