Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
zu wissen.
Klettert-flink zögerte und atmete tief durch.
Singt-wahrhaftig kannte ihren Bruder gut, und die Merkwürdigkeit seiner Antwort wurde ihr sofort bewusst. Ebenso ungewöhnlich waren die Kraft und die Klarheit seiner Geistesstimme. Für ein Männchen hatte er immer eine kräftige Stimme gehabt, doch heute erreichte er fast die Kraft einer Sagen-Künderin, und sie fragte sich, wie das kam. Einige Kundschafter und Jäger bekamen kräftigere Stimmen, wenn sie sich vermählten, doch so ließ sich Klettert-flinks neu gewonnene Kraft freilich nicht erklären. Vor dem kalten Entsetzen, das Singt-wahrhaftig bei der Vorstellung eines Jungen in der Nähe eines Todesrachenbaus befiel, verblassten die Überlegungen indessen rasch.
Sie wollte gerade antworten, als sie noch einmal innehielt, sich fast den Schweif verknotete und fassungslos und misstrauisch zugleich die Ohren schräg stellte. Nein, gewiss nicht. Nicht einmal Klettert-flink würde das wagen. Nicht nach seiner Maßregelung durch die Oberen des Clans! Doch so sehr sie auch überlegte, sie wusste nicht, wie irgendein Junges, das zum Clan vom Hellen Wasser gehörte, sich so weitab verirrt haben sollte, und kein anderes Clanrevier grenzte an die Brandnarbe. Und Namen genannt hatte Klettert-flink auch nicht, nicht wahr? Aber …
Sie schüttelte sich. Eine Möglichkeit gab es freilich, ihren Verdacht zu erhärten: Sie brauchte ihren Bruder nur zu fragen. Tat sie das, so wüsste sie, ob er die Beschlüsse der Clanoberen verletzte. Solange sie nicht offen fragte, konnte sie nur Vermutungen anstellen, wusste aber nichts. Deshalb behielt Singt-wahrhaftig eine ganz bestimmte Frage für sich, obwohl diese Frage die Sagen-Künderin sehr quälte, und stellte eine andere.
, antwortete er, und ein Ausbruch von Dank und Liebe begleiteten seine Worte, denn er wusste genau, was sie erwogen hatte.
Singt-wahrhaftigs unbetonte Feststellung war in Wahrheit eine Frage, und er schlug zustimmend mit dem Schweif, obwohl sie es nicht sehen konnte.
, sagte er einfach und spürte ihr Zögern. Doch dann kam ihre Antwort.
, sagte sie ebenso einfach – und mit der unanfechtbaren Autorität einer Sagen-Künderin.
Stephanie Harrington erwachte erneut. Ein schwacher, schmerzerfüllter Laut entschlüpfte ihr – weniger ein Wort als das Miau eines verletzten Kätzchens –, und ihre Lider flatterten. Sie erhob sich, und aus dem Miauen wurde ein atemloser, unwillkürlicher Schrei, denn sie hatte ihr Gewicht auf den gebrochenen Arm verlagert. Die unerwartete Qual raubte ihr förmlich die Sinne; fest kniff sie die Augen wieder zu und schluchzte vor Schmerzen, als sie sich dennoch aufsetzte. Übelkeit durchflutete sie, während der Schmerz in ihrem Arm und ihrer Schulter und der gebrochenen Rippe sie pulsierend erfüllten. Sie blieb völlig reglos sitzen, als wären die Schmerzen eine Art Raubtier auf der Jagd, vor dem sie sich verstecken musste, bis es vorüber war.
Doch die Schmerzen wollten nicht vergehen. Sie ließen nur ein wenig nach. Stephanie blinzelte sich die Tränen fort und wischte sich mit der gesunden Hand über das Gesicht. Sie schnüffelte, als sie sich Schlamm und Blut aus ihrer gebrochenen Nase über die Wangen schmierte. Es bedurfte keiner Bewegung, um zu bemerken, dass sie sich beim Fall das rechte Knie schwer geprellt oder verstaucht hatte. Sie zitterte und bebte wie das sprichwörtliche Espenlaub, als Hoffnungslosigkeit und Schmerzen mit voller Wucht auf sie niederdrückten. Bislang hatte das unmittelbare Erfordernis, vom Baum herabzukommen, sie angetrieben, doch nun war sie am Boden angelangt. Nun hatte sie Zeit zum Denken – und zum Spüren.
Neue, heiße Tränen quollen ihr aus den Augen und liefen ihr das Gesicht hinab. Sie heulte auf, als sie sich zwang, das linke Handgelenk zu umfassen, anzuheben und in ihren Schoß zu legen. Allein den Arm zu bewegen verursachte ihr eine Qual, von der sie kaum glaubte, sie überstehen zu können, aber sie wollte ihn nicht herabhängen lassen, als gehörte er jemand anderem. Stephanie überlegte, sich den Arm mit dem Gürtel festzubinden, doch
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