Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
um nach den anderen Leuten Ausschau zu halten, die ihm den Rücken stärkten.
Doch Klettert-flink wusste etwas, das dem Todesrachen unbekannt war. Hier waren keine anderen Leute – noch nicht. Sie kamen zwar, sie brachen mit rasender Geschwindigkeit durch die Baumkronen, aber rechtzeitig eintreffen würden sie nicht mehr.
Klettert-flink starrte finster auf den Todesrachen und kreischte herausfordernd, obgleich er wusste, dass er keine Aussichten auf den Sieg hatte. Kein einzelner Jäger oder Kundschafter nahm es mit einem Todesrachen auf. Doch Klettert-flink konnte sein Zwei-Bein-Junges ebenso wenig seinem Schicksal überlassen, wie er ein neugeborenes Kätzchen seiner eigenen Art hätte im Stich lassen können. Ihre Gefühle überschlugen sich und drängten ihn, zu fliehen und sich zu retten, obwohl sie schreckliche Angst litt, und die Geistesstimme seiner Schwester schrie das Gleiche. Doch was sollte es? Es war sogar unwichtig, dass das Todesrachenweibchen das Zwei-Bein im gleichen Augenblick reißen würde, in dem Klettert-flink tot war. Nur eins zählte: dass sein Zwei-Bein – seine Person – nicht allein und verlassen sterben durfte. Er würde ihr Ende um so viele Augenblicke hinauszögern, wie er ihr nur erkaufen konnte, und vielleicht, ja vielleicht genügte die Frist, und Singt-wahrhaftig traf doch noch rechtzeitig ein. Das sagte Klettert-flink sich fest und grimmig; mit aller Energie versuchte er sich einzureden, er wisse nicht, dass er sich belog. Da stürmte der Todesrachen vor.
Stephanie beobachtete den reglosen Kampf genau, bei der Baumkater und Hexapuma einander anfunkelten und anfauchten. Die Anspannung quälte sie wie Stacheln im Fleisch – sie konnte den Anblick nicht ertragen, ihm aber auch nicht entfliehen. Angesichts der vollendeten und doch aussichtslosen Ritterlichkeit des Baumkaters blutete ihr das Herz. Er hätte fliehen können – mühelos hätte er dem Hexapuma entkommen können, und tief in ihr, unter der Panik eines erschöpften, verletzten und verängstigten Kindes, das einem mörderischen Raubtier gegenüberstand, dem es niemals hätte begegnen sollen, berührte die grimmige Entschlossenheit des Baumkaters etwas. Was das genau in ihr auslöste, konnte Stephanie nicht sagen, und sie begriff nicht einmal, was geschah. Doch da der Baumkater so entschlossen war, sie zu beschützen, empfand sie plötzlich den ebenso grimmigen und unnachgiebigen Willen, ihn vor allem Übel zu bewahren.
Ihre rechte Hand sank auf den Gürtel und schloss sich um den Griff ihres Jagdmessers mit der Vibroklinge. Die Klinge war kurz, keine achtzehn Zentimeter lang und nicht mit den sechzig Zentimeter langen Buschmessern zu vergleichen, die die Ranger der Forstbehörde führten. Doch diese kurze Klinge besaß eine ›Schneide‹, die weniger als ein Molekül dick war. Irgendwie gelang es Stephanie, sich aufzurichten, und als sie das Messer zückte, begann die Klinge beruhigend zu kreischen. An den Stamm gelehnt, mit herunterhängendem linken Arm, schnürte ihr das Entsetzen die Kehle zu. Sie wusste, dass ihr Messer zu klein war. Zwar würde die Klinge mühelos in den Hexapuma eindringen und Knochen mit gleicher Anstrengungslosigkeit durchtrennen wie Fleisch, aber die Klinge war zu kurz. Das riesige Raubtier würde sie bereits zerfetzen, bevor sie ihn überhaupt verwunden konnte, und selbst wenn sie ihn verletzte, während er angriff, selbst wenn sie ihm eine tödliche Wunde beibrachte, war er doch so stark und so groß, dass er sie töten würde, bevor er starb. Doch außer dem Messer hatte sie nichts, und sie nahm die Augen nicht von dem Hexapuma; sie wagte kaum zu atmen und wartete.
Dann griff er an.
Als der Todesrachen sich schließlich bewegte, sandte Klettert-flink rasch eine letzte, drängende Nachricht an Singt-wahrhaftig und spürte ihre wütende Verzweiflung, denn sie wusste, dass sie zu spät kam. Dann hatte Klettert-flink keine Zeit mehr zum Denken. Es war keine Zeit für etwas anderes als Eile und grausame Gewalt.
Stephanie vermochte kaum zu glauben, was sie sah. Für solch eine riesige Kreatur war der Hexapuma beängstigend schnell, und doch sprang der Baumkater von seinem Platz und durchzuckte wie ein cremefarbengrauer Blitz die Luft. Irgendwie wich er den zuschlagenden Vorderpranken des Hexapumas aus. Er landete im Nacken des großen Raubtiers, das laut aufkreischte, als zentimeterlange Krallen ihm Fell und Haut aufrissen. Das Raubtier schüttelte sich, während es seine hinteren
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