Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Mincio, um die pochende Ader an seinem Hals zu bemerken. »Wäre es nicht großartig, wenn man die Aufzeichnungen der Alphaner endlich entschlüsseln könnte?«
»Bücher sind gut und schön«, sagte Orloff abschätzig. Er zeigte auf den Pylonen, der in Kontragravgeschirre gehüllt war. »Aber bei dem Anblick da fallen jedem die Augen aus dem Kopf!«
Beresford hatte das Zelt fertig aufgebaut, ein manticoranisches Fabrikat, ein Wunder an Festigkeit und Schlichtheit. Vier Menschen konnten darin schlafen und sogar einen Teil ihrer Habe unterbringen. Während der Reise war Nesslers Gruppe schon mehrmals auf sehr schlechte Quartiere angewiesen gewesen, doch hier auf Hope mussten sie zum ersten Mal das Zelt aufschlagen. Besatzungsmitglieder der Colonel Arabi hatten den Laser ausgeladen, den Kotzwinkle aus der Defensivbewaffnung des Kreuzers abgezweigt hatte. Unter seinen schrillen Befehlen trugen sie das Geschütz die zehn Meter vom Kutter bis zum Rand der Grube, wo man es auf den Felsen richten wollte, in dem der Pylon ruhte.
Die Waffe besaß freilich keine geeignete Lafette, sondern lag auf einem Bauernkarren, den Orloff bei einem nahen Gehöft gekauft hatte. Mincio nahm an, dass damit nichts schief gehen konnte; schließlich hat ein Lasergeschütz keinen Rückstoß. Nessler und Rovald hatten sie indes davor gewarnt, sich dem Kabel zu nähern, das die Waffe mit dem magnetohydrodynamischen Generator des Kutters verband. Beide bezweifelten sie, dass das nur armdicke Kabel die Stromstärke lange aushalten könnte.
Ein melungeonischer Diener kam zu Beresford und sprach kurz auf ihn ein. Die Offiziere beachteten die beiden nicht; wem es zu langweilig war, den Vorbereitungen zuzuschauen, spielte halbherzig Schnippschnappschnurr. Und selbst wenn alle Offiziere die beiden Diener angestarrt hätten, es hätte keinen Unterschied bedeutet: Selbst Mincio, die wusste, was kommen würde, hätte später nicht sagen können, wann Beresford dem Melungeoner das umprogrammierte Kartenspiel zurückgegeben hatte.
»Sagen Sie, Lord Orloff«, begann Nessler laut genug, um von den meisten Offizieren gehört zu werden, »könnte ich mir von einem Ihrer Leute eine Pistole leihen, um ein wenig Scheibenschießen zu üben? Darin war ich einmal ganz gut.«
»Selbstverständlich – hier, nehmen Sie meine«, sagte Orloff und zog eine schimmernde Pistole aus der Tasche an seinem Gürtel. Es war eine kleine Waffe, die in Orloffs großer Hand fast unterging, und er trug sie mehr symbolisch. Auf keinen Fall wollte er wohl ein unbequemes Gewicht an der Hüfte spüren.
»Aber eins müssen Sie mir versprechen, Nessler: Erschießen Sie auf keinen Fall mehr als ein Dutzend meiner Hunde von Matrosen, haben Sie gehört? Schließlich müssen wir den Pfeiler irgendwie an Bord bekommen.«
Orloff krümmte sich vor Begeisterung über seinen eigenen Scherz vor Lachen zusammen. Nessler gluckste leise und nahm die Pistole entgegen, dann überprüfte er sie kurz.
Er drehte sich um und hob die Waffe. Sie krachte, ein zorniges, trotziges Geräusch, und der kurze Lauf zuckte vom Rückstoß hoch. Fünfzig Meter vor Nessler spritzte der Sand auf.
»Was versuchen Sie eigentlich zu treffen?«, erkundigte Orloff sich freundlich. Eine Reihe anderer Offiziere kam herbei; einige von ihnen zogen ebenfalls die Pistolen in der offenkundigen Absicht, sich an dem Spaß zu beteiligen.
Nessler schoss erneut. Aus der Mündung trat weder Feuer noch Rauch, sodass Mincio vermutete, die Waffe würde ihre Projektile elektromagnetisch antreiben und nicht chemisch. Eine zweite Sandfontäne stieg an genau der gleichen Stelle auf.
»Liegt gut im Ziel«, sagte Nessler. »Wenn das meine Waffe wäre, würde ich das Visier nachstellen; aber solange sie trifft, macht es mir nichts aus, vorzuhalten.«
Er schoss zum dritten Mal, und ein faustgroßer Stein, der einen halben Meter neben der ersten Einschlagstelle lag, sprang in die Luft. Nessler traf den Stein noch zweimal und ließ ihn über den Sand kollern, beim nächsten Treffer zerbarst er.
»War das Absicht?«, fragte ein melungeonischer Offizier erstaunt.
»Aber natürlich«, antwortete Nessler. Mit der linken Hand hob er einen Stein auf. Mincio bemerkte allerdings, dass Nessler trotz aller Nonchalance den Lauf der Waffe nie vom menschenleeren Sand vor ihm wegschwenkte. »Schauen Sie.«
Er warf den Stein hoch in die Luft; am höchsten Punkt seiner Flugbahn zersprang er. Der Pistolenschuss und das Krachen des Steins erklangen fast
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