Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
ist schon alles.«
»Ja«, sagte Mincio. »Nun bewegen Sie sich nicht mehr, bis ich es Ihnen erlaube, und halten den Mund.«
Die Technikerin zuckte zusammen, als sei sie geohrfeigt worden. Mincio bemerkte, obwohl sie völlig in ihre Aufgabe versunken war, dass sie gerade gesprochen hatte wie ihr verstorbener Vater. Nun, auf die Entschuldigung musste Rovald warten, bis es vorbei war.
Orloff gab. Nessler setzte hoch auf zwei Pärchen und verlor die Partie an einen der anderen Melungeoner, der drei Königinnen auf der Hand hatte.
Während dieser Partie und den Dutzenden, die darauf folgten sagte Mincio kein Wort. Sie hatte Nessler angewiesen, hoch zu setzen und regelmäßig zu bluffen – genau diesen Fehler beging ein ungeübter, reicher Spieler. Mincio benötigte einen Eindruck von den Gegnern, und dazu musste Nessler eine größere Summe verlieren, bevor er ansetzen konnte, irgendjemanden zu schlagen. Es war nicht nötig, das Tempo zu forcieren.
»Mehr Brandy!«, drang Nesslers Stimme schnarrend aus dem Intercom. »Gottverdammt noch mal, reicht es denn nicht, dass ich ein Mistblatt nach dem anderen habe? Soll ich auch noch verdursten?«
An ihm war ein Schauspieler verloren gegangen, Mincio nahm ihm die Wut und die Enttäuschung beinah ab. Vielleicht waren seine Gefühle wirklich echt, denn obwohl er wusste, dass seine Verluste zum Plan gehörten, konnte einem Sir Hakon Nessler das Verlieren nicht leicht fallen. Er hielt sich nämlich zugute, dass er in den wenigen Dingen, in denen er mit anderen auf eigenen Entschluss in Konkurrenz trat, außerordentlich gut sei.
Doch war das sich verändernde Display momentan der Mittelpunkt von Mincios Existenz. Die Melungeoner spielten mit fünf Karten, nichts Besonderes; ein Spiel für Experten, und Edith Mincio war die größte Expertin auf ganz Hope.
»Verdammt, jetzt muss ich noch einen von diesen Wechseln zeichnen«, schnarrte Nessler. »Sie ziehen mir wohl noch das letzte Hemd aus, bevor ich gehe, Orloff. Und wo ist diese verdammte Flasche? Kriegt man hier denn nichts mehr zu trinken?«
Ein junger Mann mit mehr Geld als Verstand. Ein schlechter Spieler, der trank, weil er so schlecht war, und immer schlechter wurde, je mehr Weinbrand er hinunterstürzte …
Drei Stunden vergingen, bis die Karten so fielen, wie Mincio es brauchte. Orloff gab. Noch bevor die zweite Runde Karten auf den Tisch fiel, wandte sich Mincio an Rovald. »Die Signale dieser beiden Karten tauschen«, befahl sie.
Die Technikerin setzte die Finger auf die Tastatur und programmierte die bezeichneten beiden Karten neu.
Als Orloff gegeben hatte, hielt Nessler die Kreuz-Zehn, Kreuz-Neun, Kreuz-Sieben und Kreuz-Sechs, dazu den Kreuz-König. Und soweit Orloff wusste, war die oberste der noch nicht ausgeteilten Karten der Karo-Bube.
»Jetzt kommt es, Nessler«, sagte Mincio knapp. In dem Pfropfen, den sie im Ohr hatte, war ein Knochenleitermikrofon eingebaut. »Gehen Sie so hoch Sie nur können. Solch eine Chance bekommen wir kein zweites Mal. Legen Sie den König ab und nehmen Sie die nächste Karte.«
»Mein Gott, was bin ich diese Penny-Einsätze leid!«, knarrte Nesslers Stimme. »Wie viel ist im Pot? Na, ich zeichne das hier ab, dann haben wir einen Pot, der seinen Namen verdient!«
»Gott und alle heiligen Engel!«, stieß einer der Melungeoner laut genug hervor, dass der Ausruf durch die schalldämmenden Zeltwände drang.
Mincio stand auf und ging nach draußen. Ihre Beine waren so steif, dass sie schon mit Wadenkrämpfen rechnete. Mincio war durstig, schwindlig und übel vor Müdigkeit. Nun konnte sie nicht mehr tun, also konnte sie genauso gut zusehen. Beresford trat zur Seite, um ihr Platz zu machen, doch er hielt den Blick weiterhin auf das Spiel gerichtet.
Die beiden Offiziere, die nur als Strohmänner Orloffs mitspielten, passten augenblicklich. Ob durch Glück oder absichtlich: alle großen Pots hatte der Kommandant gewonnen. Wegen des vereinbarten Table Stake musste jeder Spieler das Geld vor sich liegen haben, das er einsetzte, und das war bei den beiden Offizieren schlichtweg nicht mehr der Fall.
»Aha, wieder einer Ihrer hübschen Zettel«, bemerkte Orloff freundlich. »Sie müssen wirklich sehr gute Karten haben, mein Freund. Gott liebt tapfere Männer, habe ich Recht?«
»Wenn ich mir die Karten ansehe, die ich dauernd bekomme, hat der Herr mich heute auf dem Kieker«, knurrte Nessler. Er leerte einen Becher Musketooner bis zur Neige und klatschte den Kreuz-König mit dem
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