Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
rollte die Böschung hinab und löschte dadurch die Flammen.
Mincio senkte den Arm; Nessler hatte das Gleiche getan. Jeder brüllte etwas, die meisten vor Freude und Erstaunen. Das Feuerwerk war das Aufregendste gewesen, was die melungeonischen Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere seit langem zu Gesicht bekommen hatten.
Der Pylon schwankte, dann legte er sich schief. Der Fels auf der einen Seite des Kristallpfeilers war zerschmettert, doch auf der anderen hielt der Granit den Sockel weiter fest; zum Teil war der Pylon noch gestützt, zum Teil hing er frei.
Der Pfeiler neigte sich um eine Winzigkeit weiter auf die Seite; dann zerbarst, einem Eiszapfen im Frühling ähnlich, mit dröhnendem Donnern der gesamte Pylon in einen Regen winziger Scherben, von denen keine größer war als ein Fingernagel.
Die Kontragravringe wirbelten davon, nachdem sie von dem Pfeiler befreit waren, den sie halten sollten. Glitzernde Scherben rutschten in die Grube, glänzende Reste einer Hinterlassenschaft, die länger überlebt hatte, als der Mensch das Feuer benutzte. Die Kristallsplitter begruben Kotzwinkle unter sich, der begonnen hatte, zum Grubenrand hochzuklettern. Kurz sah man noch seinen Arm, den er wie ein Ertrinkender ausstreckte; seine Schreie waren etwas länger zu hören.
Mincio musste schlucken. Ihre Augen standen offen, doch Tränen blendeten sie. An ihrer Seite sagte Nessler leise: »Gut, dass wir Ms. deKyper nicht mitgebracht haben. Für sie wird es schlimm genug sein, wenn wir ihr davon berichten.«
Die letzten Splitter prasselten herab. In dem Schweigen, das sich sogar über Orloffs Leute gelegt hatte, fragte der melungeonische Kommandant: »Nun, wollen wir mit dem Poker beginnen, Sir Hakon? Schauen wir, ob heute nicht wenigstens einer Glück hat!«
»Ja«, sagte Nessler, »Sie haben Recht. Wir sollten jetzt Karten spielen.«
»Ich habe immer gern gepokert, aber ich glaube, sehr gut bin ich nicht darin«, sagte Nessler, als er sich links neben Orloff auf den angebotenen Stuhl setzte. Zwei andere melungeonische Offiziere nahmen am Spieltisch Platz, der Rest sah mit gierigen Mienen zu; einige von ihnen befummelten die Prostituierten. Die Unteroffiziere und Mannschaften zogen sich langsam in ihre Unterkünfte zurück oder umstanden noch immer die glitzernde Stätte der Vernichtung. Mincio stand vor dem Zelt der Manticoraner. Nesslers Stimme hörte sie zuerst durch den Empfänger in ihrem linken Ohr und gleich darauf auf dem normalen Wege der Schallübertragung.
»Ach, nur keine Sorge«, rief Orloff und ließ sich von seinem Diener das präparierte Kartenspiel reichen, dann steckte er sich die Pfeife in den Mund. »Heute zeigen wir Ihnen, wie man gut spielt.«
»Wenn Sie mich hören können«, sagte Mincio leise, »dann verschränken Sie Ihre Hände im Nacken und recken sich.«
Nessler tat wie geheißen. »Nun, solange wir Table Stake spielen«, sagte er, »kann ich wohl kaum in Schwierigkeiten geraten. Können wir uns auf Table Stake einigen?«
»Nun …«, begann Orloff. Beim Table Stake ist der Höchsteinsatz durch den Betrag bestimmt, den jeder Spieler beim Geben vor sich liegen hatte.
»Ich meine nicht unbedingt ein niedriges Limit«, beruhigte Nessler ihn. Er holte ein Bündel Kreditbriefe aus seiner Brieftasche. Bei jedem dieser Kreditbriefe handelte es sich um einen Ausdruck, an dem ein Chip hing, der in der Königlichen Bank von Manticore aufgeladen worden war. Dem jeweiligen Ausdruck konnte man die Bedingungen und die Höhe des Wechsels entnehmen.
Orloff nahm willkürlich einen der Wechsel zur Hand und las die Summe auf dem Ausdruck ab. »Ha!«, bellte er. »Was sagt man dazu! Das nenne ich ein Limit. Lasst uns spielen, Freunde. Sir Hakon glaubt, er könnte ganz Melungeon kaufen, so kommt’s mir wenigstens vor.«
»Ich schaue nach den Bildern, Nessler«, rief Mincio. Niemand beachtete sie; Orloff hatte mit dem Mischen begonnen.
Sie ging ins Zelt; Beresford kam herbei und stellte sich vor den Eingang. Er nahm die Augen nicht von dem Kartenspiel im benachbarten Zelt.
Im Zelt hatte Rovald einen Empfänger aufgebaut. Das Gerät projizierte ein Hologramm in die Luft, das Orloff beim Mischen der Spielkarten zeigte. Die leuchtende Darstellung veränderte sich rasch.
»Er bekommt ein Kodesignal durch den Pfeifenstiel an die Zähne«, erklärte Rovald stolz, als Mincio sich vor das Display setzte. »Dadurch erfährt er, welche Karte oben liegt. Die Reihenfolge muss er sich merken. Sehen Sie, das
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