Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Sir!«, rief Dismore. »Sie würde es schaffen. Sie hat ein gutes Herz, das alte Miststück!«
»Dismore –«, fuhr die Bosun ihn in einem Ton an, der umso schlimmer klang, weil sie dabei nicht einmal die Stimme erhob.
»Es ist schon gut, Harpe«, sagte Nessler und hob leicht die Hand. »Mr. Dismore hat völlig Recht, das muss ich zugeben. Ich hätte das nicht sagen sollen.«
Einer der Raumfahrer begann ›God save the Queen‹ zu pfeifen, während die Manticoraner von der Brücke marschierten. Als sie die Pinasse erreichten, mit der sie auf Hope landen wollten, sangen sie alle die Hymne, jeder einzelne, auch Edith Mincio.
Weil die Ligabeamten im Sektor 12 die Haveniten bevorzugten, war Hopes einheimische Bevölkerung lauthals pro- manticoranisch. Noch bevor die Pinasse den Boden berührte, wurde auf den Straßen Kuepersburgs bereits gefeiert. Allem Anschein nach würde es noch wenigstens sechs Stunden hoch hergehen.
Mincio war dem überhaupt nicht gewachsen. Das einzige, was sie noch im Sinn hatte, war das Bett, doch leider war das Singhsche Anwesen Mittelpunkt der Festivitäten. Mit einem müden Grinsen drängte sie sich zwischen Menschen hindurch, die alle auf ihr Wohl anstoßen wollten. Sie hatte keinen Alcokat genommen und konnte sich außerdem vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten.
Die Chancen standen gut, dass ein Pärchen in ihrem Zimmer eine Privatfeier abhielt. Wenn Beresford darin verwickelt war, dann war ›Pärchen‹ vermutlich eine Untertreibung. Mincio lehnte sich demonstrativ müde an den Türrahmen, in der Hoffnung, sie könne die Feiernden auf diese Weise überreden, schneller zum Schluss zu kommen und zu verschwinden.
Die Tür stand einen Spalt weit offen; drinnen brannte Licht, und Stimmen waren zu hören. Seufzend schob Mincio die Tür ganz auf.
Mit feierlicher Würde machte der Knurrer ihr Platz. Rovald sprang von dem Bett, auf dem sie gesessen hatte, und deKyper rappelte sich aus dem einzigen Stuhl im Zimmer auf, obwohl Mincio ihr rasch mit einem Winken bedeutete, sie möge ruhig sitzen bleiben.
»Unseren Glückwunsch zu Ihrem großen Sieg, Ma’am!«, sagte Rovald kaum lebhafter als sonst, doch lag auch ein Funke Beschämung in ihrer Stimme. »Wir wollten Sie nicht vom Feiern abhalten, aber wir hoffen, Sie können einen Augenblick erübrigen, um sich anzusehen, was wir in der Zwischenzeit erreicht haben.«
Mit dem Kopf deutete sie auf ihre Ausrüstung, die sie auf dem Schreibtisch aufgebaut hatte. Trotz Mincios Geste hatte deKyper sich erhoben und drückte sich an das Bett, damit Mincio besser sehen konnte. Der Knurrer schlang den Schweif um seine Leibesmitte und leckte der alten Dame die Hand.
»Aber gern«, sagte Minrio. Tatsächlich verlieh ihr der Gedanke an ihre eigentliche Arbeit neue Energie. Schon bald würde sie zusammenbrechen, möglicherweise buchstäblich, doch noch war sie geistig wach und wieder ganz die Wissenschaftlerin.
Goldsonden, die so dünn waren wie Spinnwebfäden, verbanden das hart facettierte ›Buch‹ mit der Testapparatur. Der Kristall war eine von Rovalds rekonstruierten Kopien, kein Original aus deKypers Sammlung. Der rekonstruierte Kristall war nicht nur komplett, sondern seine Struktur wies zudem bis auf die molekulare Ebene hinab keinerlei Verunreinigung auf, und auf dieser molekularen Ebene hatten die Alphaner ihre Informationen kodiert. Selbst unzerbrochene Originalkristalle, die man fand, waren in unterschiedlichem Ausmaß beschädigt: von Kratzern auf der Oberfläche bis hin zu internen Haarrissen.
Über der Apparatur bildete sich ein zitterndes Hologramm. Die abstrakten Muster darin wirkten fließend gleichmäßig wie ein Wasserfall und waren beinahe genauso schön.
»Das ist alphanische Schrift, Ma’am«, behauptete Rovald. »Wir steuern das Buch jetzt mit genau der vorgesehenen Frequenz an. Da bin ich mir ganz sicher.«
Mincio beugte sich vor und musterte die Projektion genauer. Der Kristall war gleichmäßig rotorange, doch das Hologramm besaß die weichen Farben einer Frühlingslandschaft. Mincio wurde bewusst, wie sie vielleicht fortan ihr Leben verbringen würde: Sie würde an den leistungsstärksten Computern Manticores sitzen, die Muster studieren und eine gewichtige Monografie nach der anderen über ihre Bedeutung schreiben.
Von diesem Leben hatte Mincio immer geträumt – hatte sie zumindest gedacht. Sie straffte die Schultern, aber sie sagte kein Wort.
»Die Frequenz sollte viel höher sein«, warf deKyper
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