Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte

Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte

Titel: Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
hatte, und doch schien diese Realität für immer unwirklich zu bleiben, geprägt von einem Surrealismus, den jeder empfinden musste und der sich dennoch einer präzisen Definition entzog.
    White Haven schnaubte innerlich. Kaum achtete er auf das Geschnatter, das aus seinem Ohrhörer drang: der Funkverkehr zwischen dem Beiboothangaroffizier und der Pinasse, die gerade ein Rendezvous mit dem Flaggschiff ausführte. Von jeher neigte sein Geist dazu, in nachdenkliche Tiefen abzuschweifen, sobald er sich mit keinem spezifischen Thema beschäftigen musste, doch in letzter Zeit kam das immer häufiger vor.
    Er drehte den Kopf und beobachtete, wie die Ehrenwache der Marineinfanterie Aufstellung nahm. Die Marines bewegten sich mit aller Präzision, die er sich nur wünschen konnte, doch trugen sie die braun-grünen Uniformen Graysons, nicht das Schwarz-Grün Manticores, denn der Superdreadnought Benjamin the Great – den die Crew inoffiziell und nur außer Hörweite des Kommandanten ›Benjy‹ nannte – war ein graysonitisches Schiff. Kaum ein T-Jahr alt, war er möglicherweise das kampfstärkste Kriegsschiff, das es gab. Zumindest hatte dies auf die Benjamin zugetroffen, als sie fertiggestellt wurde, doch die Standards für Kampfschiffe änderten sich mit bestürzender Geschwindigkeit. Nach fast sieben Jahrhunderten, in denen die Entwicklung nur sehr allmählich vorangeschritten war – böse Zungen behaupteten, im Tempo eines Gletschers –, waren nun alle Vorstellungen, wie ein brauchbares Kriegsschiff auszusehen habe, in den Schmelzofen geworfen worden, und anscheinend konnte niemand genau vorhersagen, was herauskommen würde, wenn man den Tiegel ausgoss. Jeder wusste jedoch, dass die bequeme Sicherheit bekannter Waffensysteme, bekannter Taktik und bekannter Strategie schon sehr bald durch etwas Neues, anderes ersetzt würde, etwas, das vielleicht das bislang mühevoll erworbene Wissen und Können wertlos machte.
    Und niemand außerhalb der Allianz scheint sich gewahr zu sein, wie sehr die Dinge sich ändern – noch nicht jedenfalls , dachte White Haven trübsinnig und wandte sich wieder der lautlosen, sterilen Perfektion des Hangars zu.
    Manchmal wünschte er, die Veränderungen wären auch der Allianz entgangen, obwohl er das niemals zugegeben hätte – bis auf das eine Mal, wo er es zumindest implizit beinah eingestanden hatte, und dafür hatte Lady Harrington ihm die Haut in Streifen abgezogen – verdientermaßen.
    Wie immer, wenn er noch so flüchtig an Honor Harrington dachte, wand sich etwas in ihm, ein körperlich spürbarer Schmerz, und er verfluchte sein perfides Gedächtnis. Getrogen hatte es ihn noch nie, und nun bestand es darauf, jede einzelne Gelegenheit wiederabzuspielen, bei der er Honor Harrington begegnet war – jedes Mal, wenn er sie beraten, jedes Mal, wenn er sie zusammengestaucht hatte (was nicht oft vorgekommen war), und jedes Mal, wenn er zugesehen hatte, wie sie nach Hause kam von einem ihrer törichten, tapferen, gottverdammt glorreichen Versuche, sich im Namen der Pflichterfüllung umbringen zu lassen. Töricht war sie nie gewesen, warum zum Teufel also musste sie darauf bestehen, wieder hinauszuziehen, obwohl sie doch eines genau wissen musste: Mit jedem Mal stieg die Chance an, dass auch die Haveniten einmal Glück hätten …
    Er riss sich aus den ausgefahrenen Gedankenbahnen, aber nicht ehe die brennende, ungezügelte Wut wieder in ihm aufgeflackert war. Es war so dumm, das wusste er genau, und doch war er wütend auf sie, weil sie gestorben war. Eine tief irrationale innere Stimme gab ihr immer und immer wieder die Schuld dafür – und weigerte sich selbst jetzt, über acht T-Monate später, ihr zu vergeben.
    Er seufzte und schloss die Augen, als der Schmerz und die Wut ihn wieder durchstießen. Eine andere innere Stimme bedachte den Gefühlsüberschwang mit verächtlichem Spott: Natürlich gibst du ihr die Schuld. Wenn nicht, müsstest du sie schließlich selbst auf dich nehmen, und das könntest du nicht, oder?
    White Haven öffnete wieder die Augen und biss die Zähne zusammen. Neuneinhalb Jahre lang hatte er Honor Harrington gekannt … in diesem Sonnensystem waren sie einander zum ersten Mal begegnet, hier im Jelzin-System hatte er zusehen müssen, wie sie einen Schweren Kreuzer auf eine Todesfahrt vor die Breitseite eines Schlachtkreuzers führte, um einen fremden Planeten zu schützen. Schon damals hatte er geahnt, dass Harrington vermutlich die außergewöhnlichste

Weitere Kostenlose Bücher