Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
unterzog. Ja, das war sogar mehr als wahrscheinlich. Das Problem war nur, dass er gar nicht genau wusste, welches Thema diese Prüfung zum Gegenstand hatte. Sollte er seine Loyalität gegenüber dem Komitee demonstrieren, indem er McQueen denunzierte? Oder sollte er seine Loyalität gegenüber der Flotte und seiner disziplinarischen Vorgesetzten beweisen (wenn man unterstellte, dass dies zwei verschiedene Dinge wären), indem er den Mund hielt?
»An dieser Entscheidung war ich nicht beteiligt, Bürgerin Minister«, sagte er sehr langsam und wohlüberlegt. Dann beschloss er, selbst einen Fühler auszustrecken. »Dennoch erschien sie mir … fragwürdig.«
»Mir nicht«, schnaubte McQueen. Sie bemerkte das Aufflackern von Panik in Bukatos Augen und grinste ihn gezwungen an. »Mir kam es ausgesprochen dämlich vor«, sagte sie, »und das habe ich Bürger Vorsitzender Pierre und Bürger Minister Saint-Just damals unentwegt erklärt.«
Nun trat ein Ausdruck von Überraschung und Respekt in Bukatos Gesicht. McQueen unterdrückte ein Kichern. Ganz so unverhohlen, wie sie es nun behauptete, hatte sie sich damals nicht ausgedrückt, aber sie war schon recht nahe dran gewesen. Wenn die SyS die Audiochips abhörte, die man ganz gewiss anfertigte ( oder die Chips, die Saint-Just damals eventuell von den Treffen angefertigt hat , dachte McQueen, falls er so paranoid ist – nein, das ›falls‹ können wir streichen ), so wäre ihre Version Saint-Just Erinnerungen ähnlich genug, um ihr nicht zu schaden. Dem Gesichtsausdruck Bukatos nach zu urteilen, war McQueen durch ihre Bereitschaft, mit ihm so offen über dieses Thema zu sprechen, in seinem Ansehen gerade erheblich gestiegen.
»Wissen Sie, es war nicht Bürger Vorsitzender Pierres Idee, und auch nicht die von Bürger Minister Saint-Just. Ich glaube sogar, die beiden waren ebenfalls nicht damit einverstanden«, fuhr sie fort, stets der verborgenen Mikrofone eingedenk. »Aber Bürgerin Minister Ransom gehörte zum Komitee und hatte bereits ihre Absicht, Harrington hinzurichten, an die solarischen Nachrichtenagenturen weitergegeben. Diese verdammte Sache mit den Levellers lag kaum vier T-Monate zurück. Ich muss Ihnen wohl nicht extra hervorheben, welche Wellen es damals geschlagen hat, und man hielt es wohl für sinnvoller, ihr den Rücken zu stärken als die galaktische Öffentlichkeit glauben zu lassen, wir wären an der Spitze in unversöhnliche Lager gespalten oder wollten einen weiteren Umsturzversuch herausfordern. Deshalb musste die Öffentliche Information auch die Hinrichtungsszene komplett fälschen.«
»Ich gebe zu, dass ich es so noch nicht betrachtet habe«, sagte Bukato. »Ich hoffe, Sie vergeben mir, wenn ich es sage, aber mir kam das Ganze unnötig vor.«
»›Unnötig‹«, sagte McQueen und schnaubte. »In gewisser Weise keine schlechte Bezeichnung. Außerdem wird die Hinrichtung vermutlich manchen Manty zu Rachetaten anstacheln. Andererseits ist die Entscheidung im Amt für Öffentliche Information getroffen worden, und dorthin hat sie auch gehört. Dort kann man nämlich besser beurteilen, welche Wirkung die Hinrichtung auf die Meinung der Zivilisten und der Neutralen hat, als wir in der Flotte.«
Die Art, in der sie bei diesen Worten bitter den Mund verzog, wollte gar nicht zu ihrem nachdenklichen, aufrichtigen Tonfall passen, und Bukato war erstaunt, in sich einen Lachreiz zu spüren. Ohne Zweifel würde jeder, der später die Chips abhörte, genau das hören, was sie ihm zu verstehen geben wollte, doch gelang es ihr irgendwie, Bukato wortlos zu vermitteln, was sie eigentlich sagen wollte.
Und vermutlich war es in einer Hinsicht sogar vernünftig, Harringtons Hinrichtung zu fälschen , dachte er. Auf diese Weise brauchen wir nämlich wenigstens nicht zu gestehen, dass es – wie vielen? dreißig? – Kriegsgefangenen bei einem missglückten Ausbruchversuch gelungen ist, einen Schlachtkreuzer komplett zu vernichten! Gott allein weiß, was aus unserer Moral würde, wenn wir das öffentlich zugeben müssten, auch wenn es nur ein SyS-Schiff war. Die Systemsicherheit würde den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlieren, und es wäre nicht auszudenken, was alles geschehen könnte, wenn die SyS das nächste Mal versucht, ein paar arme Hunde einzuschüchtern. Und ob wir Harrington nun aufgehängt haben oder nicht, tot ist sie, und tot bleibt sie. Selbst wenn wir es wollten, könnten wir sie nicht zurückholen, deshalb schadet es wohl nichts, wenn wir aus ihrem
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