Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Dutzend Männer und Frauen durch die zerstörte Tür. Schrapnellgewehre husteten, Pulser heulten, und eine einzelne Granate explodierte – diesmal kein Blitzknallgeschoss, sondern etwas Schwereres.
Dann streckte eine seiner Untergebenen den Kopf aus der Tür.
»Ziel gesichert, Commodore!«, rief sie. »Geringfügiger Schaden durch die Druckwelle, aber nichts, was wir nicht reparieren könnten.«
»Maravilloso!« Ramirez schüttelte gratulierend die Faust und sprang vor; in der Bewegung griff er nach seinem Handcom.
»Commodore Ramirez hat die Kontrollzentrale genommen, Ma’am!«, verkündete Senior Chief Barstow, und Honor spürte, wie wilder Triumph die Stammbesatzung des Shuttles durcheilte. Die Eroberung hatte fast zwanzig Minuten länger gedauert als bei der Operationsplanung erhofft, denn auf dem Weg zu ihrem Ziel war Ramirez’ Gruppe von einem halben Dutzend kleinerer, grimmig geführter Schusswechsel aufgehalten worden. Aber der Commodore hatte es geschafft! Er beherrschte nun die Bodenstation, von der aus sämtliche orbitalen Verteidigungsanlagen gesteuert wurden. Noch konnte er sie nicht benutzen – denn selbst wenn er die Kontrollzentrale völlig unbeschädigt eingenommen hätte, was sehr unwahrscheinlich war, hätte er trotzdem nicht die Zugriffskodes besessen. Doch diese Kodes konnten sie später noch herausbekommen: Schließlich hatten sie Horace Harkness, der ein besonders großes Talent besaß, mit den Computern der SyS umzugehen; wichtig war im Augenblick nur, dass die Haveniten die Waffensysteme in der Umlaufbahn nicht mehr benutzen konnten. Honor drückte wieder die Comtaste.
»Welpe, hier Wolf. Sie können los. Wiederhole, Sie können los!«
»Welpe, verstanden, los«, antwortete Geraldine Metcalfs Stimme. »Sind schon unterwegs, Skipper.«
Einen halben Planetenumfang von Camp Charon entfernt startete Shuttle Zwo und raste mit Geraldine Metcalf und Sarah DuChene am Steuer kreischend gen Himmel. Master Chief Gianna Ascher, die in der Operationszentrale der Prince Adrian dienstältester Unteroffizier gewesen war, besetzte das Taktikabteil, Senior Chief Haiburton war der Bordmechaniker. Metcalf und DuChene führten den Shuttle nicht zum ersten Mal ins Gefecht, doch diesmal waren sie spät dran. Verbissen tauschten sie einen Blick, als der Himmel hinter den Cockpitfenstern einen immer dunkleren Indigoton annahm.
»Also?« , fuhr Bürger Lieutenant Commander Proxmire seinen unglückseligen Signaloffizier an.
»Sir, bekomme keinerlei Antwort vom Boden, ganz gleich, wen ich anrufe«, antwortete Agard zaghaft. »Die Leitzentrale hat fast augenblicklich jeden Signalverkehr eingestellt, und alles, was ich nun auffasse, ist ein Haufen verschlüsselter Sendungen, die ich für Gefechtsmeldungen halte. Ich kann nicht sagen, wer da mit wem redet, aber sehen Sie doch selbst.«
Er wies damit auf das Holodisplay, und Proxmire biss sich in die Lippe. Das Kurierboot besaß keine echte taktische Station, denn es war völlig unbewaffnet. Immerhin verfügte es über ein recht gut ausgestattetes Ortungssystem, und der Himmel über Styx war wolkenlos und klar. Daher erhielten sie einen gestochen scharfen Blick auf alles, was dort vor sich ging, und Proxmires Magen verkrampfte sich, als er hinsah. Feuer, Qualm und Chaos hatten sich weiter ausgebreitet, und das Display wies auf die Panzerwagen hin, die den Fahrzeugpark verließen. Leider jedoch schienen sie auf Stellungen der SyS zu feuern und nicht etwa auf die Angreifer. Und hätte man noch einen weiteren Hinweis gebraucht, wer die Panzer lenkte: Der verdammte Sturmshuttle schoss nicht etwa auf sie, nein, er gab den Kampfwagen Feuerunterstützung!
Proxmire schüttelte wie betäubt den Kopf. Das war doch schlichtweg unmöglich! Das musste unmöglich sein! Noch immer fehlte ihm jede Vorstellung, wer die Angreifer sein konnten oder woher sie gekommen waren, doch binnen kaum vierzig Minuten hatten sie die kritischsten Sektoren der Basis überrannt. Die Garnison war von allen schweren Waffen abgeschnitten – und noch schlimmer, die Angreifer setzten genau diese schweren Waffen gegen sie ein! Zahlenmäßige Überlegenheit half nicht viel gegen einen Gegner, der die Luftherrschaft besaß und über alle schweren Kampfmittel verfügte.
Doch so lange der Shuttle dort unten blieb und beschäftigt war, brauchte Proxmire sich keine Gedanken darum zu machen. So lange er auslaufen konnte, um Hilfe zu holen, war es im Grunde nicht wichtig, ob es diesem
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