Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
waren sich sicher gewesen, dass Basilisk Station stets mit rascher Unterstützung durch die Homefleet rechnen konnte, doch angesichts der aktuellen Situation konnte man diese Aussicht nur als Bockmist bezeichnen. Aus der Kreisbahn um Manticore brauchten selbst schnelle Schlachtkreuzer neunzehn Stunden, um den Basilisk-Terminus zu erreichen, Superdreadnoughts fast zweiundzwanzig … und das galt nur, wenn die Schiffe mit den allerneusten Kompensatoren ausgerüstet waren. Der eigentliche Transit von Manticore nach Basilisk dauerte nur Sekunden, doch mussten die Verbände erst zum Wurmlochknoten gelangen. Und wenn sie sich dann endlich im Weltraum des Basilisk-Systems befanden, benötigten sie wieder zweiundzwanzig beziehungsweise sogar sechsundzwanzig Stunden bis Medusa. Alles in allem kostete es also viel Zeit, Verstärkung heranzuführen; sehr wenig Zeit zwar nach den Maßstäben interstellarer Reisen, doch taktischer Kampf innerhalb eines Sonnensystems lief auf einer anderen Skala ab. Auf dieser Skala bedeuteten einundvierzig Stunden verdammt viel Zeit … besonders, wenn der Feind nur zwei Stunden von Medusa entfernt war und mit hoher Beschleunigung näher kam.
Die Pinasse lief unter Höchstbeschleunigung und versuchte, HMS King William einzuholen. Das Flaggschiff, das bei seiner Besatzung liebevoll als Billy Boy bekannt war, beschleunigte noch nicht, um dem Beiboot das Aufschließen zu gestatten. Markham blickte aus dem Fenster, während die Pinasse das Andockmanöver einleitete. Er hielt sich nicht gerade für einen besonders mutigen Mann, und sein Magen verkrampfte sich, als er daran dachte, gegen was er mit der King William und dem Rest seiner unterlegenen Kampfeinheit antreten musste. Doch Held oder nicht, Silas Markham war Vizeadmiral der Royal Manticoran Navy, und er gehörte an Bord seines Flaggschiffs, wenn es sich einem Feind stellte, und nicht Lichtminuten vom Gefecht entfernt in ein verdammtes Büro.
Die Traktorstrahlen des Superdreadnoughts packten die Pinasse und zogen sie in die strahlend helle Höhle eines Beiboothangars. Markham erhob sich. Natürlich verstieß er damit gegen die Vorschriften. Passagiere hatten während jedes Manövers angeschnallt sitzen zu bleiben, doch Markham hatte es eilig – und wenn man Vizeadmiral ist, sagt einem niemand mehr, was man zu tun und zu lassen hat.
Schnaubend beugte er sich vor, um weiter aus dem Fenster zu blicken, während die Pinasse sich auf die Pralldämpfer senkte. Sein Blick fiel auf das Schiffswappen, das auf die Außenwand der Galerie gemalt war, und er verzog die Mundwinkel. Das Wappen umschloss das persönliche Siegel König Wilhelms I., nach dem das Schiff benannt war. Einmal mehr fragte sich Markham, wie viele aus der Crew der Billy Boy jemals darüber nachgedacht hätten, dass der königliche Namenspatron ihres Schiffes dem Mordanschlag eines Geisteskranken zum Opfer gefallen war.
Kein Gedanke, den man zu einem Zeitpunkt wie diesem besonders gern weiterverfolgte.
»Sie kommen, Bürger Admiral«, verkündete Bürger Commander Macintosh. Giscard hob die Hand und unterbrach damit Julia Lapisch mitten im Bericht, dann wandte er sich dem Operationsoffizier zu. »Stärkeabschätzung?«
»Noch zu weit entfernt, um eine sichere Zählung durchzuführen, Bürger Admiral, doch anscheinend erheblich schwächer als vorhergesehen. Wir glauben an sechs Wallschiffe und eine unbekannte Zahl Schlachtkreuzer. Anscheinend kommen sie mit dreihundert Gravos in unsere Richtung.«
»Danke.« Giscard drehte sich mit dem Sessel Bürger Lieutenant Thaddeus zu. »Reaktionen, Madison?«, fragte er den Nachrichtenoffizier.
»Unsere Schätzungen sind so gut, wie man sie aus den Daten nur erstellen konnte, die uns bei der Planung von Ikarus zur Verfügung standen, Bürger Admiral«, sagte Thaddeus.
Den Unterton hätte man als herausfordernd auslegen können, doch Giscard war bereit, Thaddeus dergleichen durchgehen zu lassen, solange er es unter Kontrolle hielt. Er hatte sich gleich gefragt, weshalb ein offenkundig tüchtiger Offizier wie der Bürger Lieutenant nicht befördert wurde; nun kannte er den Grund – aus den SyS-Akten, die Pritchart kurz vor dem Aufbruch von Secour erhalten hatte. Thaddeus’ ältere Schwester war von einem rachsüchtigen Ex-Geliebten bei einem Volksgericht als Feindin der Revolution denunziert worden – fälschlich, wie sich später herausstellte. Der Geliebte erhängte sich, als sein Zorn abgekühlt war und er erkennen musste, was er
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