Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
sie, »aber ich kann eigentlich kein Lob beanspruchen, wissen Sie. Ich verhalte mich so, wie ich es gewöhnt bin, mehr nicht.«
»Das weiß ich«, entgegnete Katherine. »Deshalb sind Sie ja auch solch ein wirksames Beispiel. Jeder, der Augen hat zu sehen, erkennt gleich, dass es Ihnen nicht darauf ankommt, ein Exempel zu setzen, sondern Ihre Arbeit zu erledigen … und gerade dadurch setzen Sie erst recht ein Exempel.« Sie lächelte sanft. »Genau dadurch hat auch Honor ihre Wirkung ausgeübt.«
Allison blinzelte unerwartete Tränen fort und spürte, wie Alfred den Arm um sie legte und sie drückte. Einen Moment lang lastete das Schweigen, dann fuhr Katherine fort.
»Doch wie Benjamin sagte, habe ich den Bericht gelesen. Die Anhänge waren für mich ein wenig zu schwer verständlich, aber im Text haben Sie die wesentlichen Punkte meiner Meinung nach sehr gut verdeutlicht.« Sie schüttelte den Kopf mit einem Ausdruck von erhabener Trauer, die einer ganz anderen Quelle entsprang als bei Allison. Die Manticoranerin erinnerte sich, dass Katherine und Elaine insgesamt bereits fünf Söhne durch spontane Frühgeburt verloren hatten.
»Wenn man sich vorstellt, dass wir uns das selbst angetan haben«, seufzte Katherine. Nun schüttelte Allison den Kopf.
»Weder mit Absicht noch wissentlich«, betonte sie. »Und wenn der Verursacher den Eingriff unterlassen hätte, gäbe es heute keine Graysons. Es war eine brillante Lösung für ein tödliches Problem, vor allem in Anbetracht der Beschränkungen, unter denen sie gefunden wurde.«
»Ach, das weiß ich ja«, entgegnete Katherine, »und ich wollte mich bestimmt nicht beschweren.«
Das, so stellte Allison mit einigem Erstaunen fest, war nicht gelogen. Sie zweifelte sehr, ob man das auch von ihr hätte behaupten können, wäre sie an Stelle ihrer Besucherin gewesen.
»Nur …« Katherine zuckte mit den Achseln. »Nach all den Jahrhunderten ist es schon eine Überraschung, fürchte ich. Ich meine, in gewisser Weise ist es so … alltäglich. Besonders für etwas, das solch eine nachhaltige Wirkung auf unsere Familien und vor allem auf unsere Gesellschaft ausgeübt hat.«
»Hm.« Allison neigte den Kopf und winkte ab. »Nach allem, was ich von Ihrer Welt gesehen habe, sind Sie zumindest auf familiärer Ebene sehr vernünftig gewesen.«
»Meinen Sie das im Ernst?«, fragte Katherine forschend. In ihrer Stimme lag leichte Anspannung.
»Ja, das meine ich ernst«, versicherte Allison ihr und sah sie offen an. »Wieso fragen Sie?«
»Weil kaum ein Fremdweltler es so sieht«, erklärte Katherine. Sie warf ihrem Mann und ihrer Schwesterfrau einen Blick zu, dann musterte sie Allison fast herausfordernd. »Es gibt welche, denen unsere Lebensweise … moralisch verwerflich erscheint.«
»Wenn dem so ist, dann ist das doch deren Problem und nicht Ihres«, entgegnete Allison achselzuckend. Bei sich überlegte sie, welcher Fremdweltler wohl so dumm gewesen war, Katherine Mayhew auf die Zehen zu treten – und hoffte, es möge kein Manticoraner gewesen sein. Das glaubte sie allerdings auch nicht. Weitestgehend weigerte man sich im Sternenkönigreich, Toleranz gegenüber der Intoleranz zu üben, und zum Glück neigte man nicht zugleich dazu, sich wie auf Beowulf dafür ständig auf die Schulter zu klopfen. Dennoch kannte Allison so manchen Sphinxianer, der prüde genug sein mochte, um an der graysonitischen Lebensweise Anstoß zu nehmen. Angesichts der gewaltigen Ungleichheit männlicher und weiblicher Geburten war die graysonitische Haltung gegenüber Homosexualität und Bisexualität unausweichlich; Sphinx aber war bei weitem der zugeknöpfteste Planet des Sternenkönigreichs.
Einen schrecklichen Moment lang fragte sich Allison, ob Honor es etwa gewesen war, die …? Doch nein. Ihre Tochter war vielleicht sexuell stärker gehemmt gewesen, als es Allison recht sein konnte, doch prüde oder gar bigott hatte sie sich nie gegeben. Und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte es Katherine Mayhew alles andere als ähnlich gesehen, dieses Thema nun, da Honor tot war, aufzubringen und Allison damit zu verletzen.
»Ich stamme von Beowulf, und wir alle wissen natürlich, wie die Beowulfianer sind«, fuhr sie ruhig fort, und Katherine lachte fast unwillkürlich. »Andererseits bekommen gerade Genchirurginnen im Rahmen ihrer Praxis mehr eigenartige Familienverhältnisse zu Gesicht als die meisten Familientherapeuten; das hängt mit unseren diagnostischen Methoden zusammen. Hier auf
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