Honor Harrington Bd. 16
wo die Schwere Gruppe Abraham Templetons Leiche gefunden hatte. Du Havel bestand darauf, sie zu begleiten, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Ruth Winton in Sicherheit war. Web mochte Berry nicht nur sehr, er empfand offensichtlich ein Schuldgefühl, dass er sich auf seinem Zimmer ausgeruht hatte, als der Angriff erfolgte. Nicht dass es den geringsten Unterschied bedeutet hätte, wenn er dort gewesen wäre, sah man von der wahrscheinlichen Möglichkeit ab, dass man auch ihn ermordet hätte.
»Um der Liebe Gottes willen«, murmelte Walter, »was hat sie denn da benutzt? Einen Vorschlaghammer?«
Victor war in der Lage, die Szene eher mit klinischer Distanz zu betrachten, doch selbst er fühlte sich ein wenig erschüttert. Ein wenig eigenartig kam es ihm vor, wo doch im großen Spielsalon viel mehr Blut und Fleischfetzen am Boden und an den Wänden klebten. Doch wo Pulser ins Spiel gebracht werden, rechnet man auch mit Blut und Fleischfetzen.
Er sah - noch einmal - auf die Leiche Abraham Templetons, die reglos am Boden lag. Der Hinterkopf zeigte eine Mulde; der Schädel war dort nicht nur gebrochen, sondern zersplittert - und die Stücke waren zentimetertief in die Hirnmasse eingedrungen.
»Nur ihre Hände, Füße und Ellbogen«, sagte er ruhig. »Ich glaube, Ihnen ist überhaupt nicht klar, mit wem Sie es da zu tun haben, Walter.«
»Mit einer Missgeburt«, fauchte Naomi.
Ich habe wirklich genug von dir! Victor setzte zu einer scharfen Erwiderung an, doch Walter kam ihm zuvor.
»Halt den Mund, Naomi«, fuhr er seine Nichte an. »Solange man es mit menschlichen Wesen zu tun hat, spricht man nicht von ›Missgeburten‹, es sei denn, man hat es mit einer tatsächlichen Verirrung der Natur zu tun, einem Mutanten zum Beispiel. Und Mutanten muss man bemitleiden. Sie leben meist sowieso nicht lang. Diese Frau ist ... etwas anderes. Erklären Sie es ihr, Victor.«
Victor entschied sich, Naomis mürrische Miene zu ignorieren. Die Anziehung, die diese Frau einmal auf ihn ausgeübt hatte, war ohnedies versiegt.
»Die Sache ist die, Walter: Wenn die Mfecane-Welten noch ein wenig länger vom Rest der menschlichen Rasse isoliert gewesen wären - noch zwanzig Generationen vielleicht -, dann gehörten sie vielleicht gar nicht mehr zur Spezies Mensch. Zumindest nicht im streng biologischen Sinn des Begriffes der Spezies.«
Die Sprösslinge der Großen Familien Erewhons verfügten über eine breit gefächerte Bildung, daher verstand Imbesi augenblicklich, worauf Victor hinauswollte. »Teil des gleichen Genpools, fähig zur Hervorbringung zeugungsfähiger Nachkommen. Die Variation war bereits so weit fortgeschritten? In solch kurzer Zeit? Die Welten waren doch nur einige Jahrhunderte isoliert, wenn ich mich nicht irre.«
Wie üblich eignete sich ein intellektuelles Problem sehr gut dazu, Web Du Havel zu beruhigen.
»Mehr als ein ganzes Jahrtausend«, korrigierte er. »Ihre Vorfahren waren beinahe so verrückt wie die Ur-Graysons, wenn auch aus etwas anderen Gründen. Sie brachen ungefähr gleichzeitig mit ihnen auf und hatten eine kürzere Distanz zurückzulegen.«
Der Professor musterte voll Unbehagen das Blutbad. »Die natürliche Auslese auf diesen beiden Welten war grausam, Mr Imbesi. Wie es sich fügt, kenne ich mich ein wenig mit den Mfecane-Welten aus, weil es sich bei ihnen um eines der Standardbeispiele für Extremfälle handelt, die wir Theoretiker heranziehen, wenn wir die Auswirkungen genetischer Variation auf die politische Entwicklung berechnen wollen.
Die Kindersterblichkeit der ersten Generationen erreichte fast achtzig Prozent, über beide Welten gemittelt, wobei Lieutenant Palanes Heimatplanet Ndebele schlimmer betroffen war. Bei einer isolierten Population ist so etwas klassische Vorbedingung für rasche Artbildung. Die Zeit der Isolation war auch dann lang genug, wenn man die Genmanipulationen an den Gründerkolonisten außer Acht lässt. Hätte es sich um eine Population aus einfachen Tieren gehandelt, so wäre in dieser Zeit wahrscheinlich ein eigener Genpool entstanden. Doch das lässt sich nur sehr viel schwieriger erreichen, wenn die betreffenden Wesen intelligent sind. Sehr viel schwieriger. Es ... äh ...« Er lächelte, ein wenig wehmütig vielleicht. »Der letzte Schritt bei der Artbildung ist stets die Entwicklung eigener, abweichender Paarungsgewohnheiten, und das funktioniert bei Menschen nur sehr schlecht. Wir sind einfach zu intelligent, um nicht herauszufinden, wie man
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