Honor Harrington Bd. 16
Vergangenheit. Und die ihrer Familie.
»Deine Mutter hätte genauso gehandelt«, murmelte sie. »Glaube nur nichts anderes, Ruth.«
Die Prinzessin schluchzte weiter. »Ich habe Ahmed Griggs gemocht «, keuchte sie. »Nachdem ... nachdem ... er nicht mehr so steif war. Und ... und ...«
Die nächsten Worte heulte sie beinahe: »Und Laura und Christina hatte ich wirklich lieb! Ich kann es nicht fassen, dass sie alle tot sind!«
Berry hatte die Sergeants Hofschulte und Bulanchik selbst sehr gemocht. Lieutenant Griggs war Berry ein wenig zu reserviert gewesen, als dass sie mit ihm wirklich warm werden konnte, doch an seiner Pflichtergebung hatte sie nie gezweifelt. Christina Bulanchik war ein warmherziger Mensch gewesen - und Laura Hofschulte ebenfalls. Sie hatte einen Sinn für Humor besessen, der genauso rasch und ständig kampfbereit gewesen war wie die Reflexe, die ihr gestattet hatten, bis zum Ende zu kämpfen, als Ruth in Deckung lag.
Berrys Erinnerung an die wilde, beängstigende Schießerei war verschwommen und von jäher Angst durchsetzt. Sie wusste jedoch, dass sie die letzten Momente im Leben Hofschultes nie vergessen würde, denn Berry war, unter den Spieltisch gekauert, Zeugin geworden, wie der weibliche Sergeant starb.
Zuerst der Anblick Hofschultes auf einem Knie - etwas an ihrer Haltung hatte deutlich gemacht, dass sie mit den Pulserbolzen, die sie feuerte, ihr Ziel traf. Im nächsten Moment der Zusammenbruch, und dann Lauras entsetzliche Augen, die Berry blicklos anstarrten, nachdem Hofschulte zu Boden gefallen war - während die Leiche ihres letzten Angreifers neben ihr lag.
»Dieser Bastard«, fauchte Ruth halb, halb schluchzte sie. »Dieser stinkende Mörder! Ich kann es nicht glauben, dass ich ... und ich habe nicht mal gezögert!«
An Webs Gesicht sah man deutlich, dass er nun gar nicht mehr wusste, worum es ging. Kurz wunderte sich Berry, dass ein hochintelligenter Mensch wie er so begriffsstutzig sein konnte.
Lange allerdings hielt die Verwunderung nicht an. Berry besaß eigene Erinnerungen, wie das Leben sein konnte, wenn man zu den Unerwünschten, Verachteten des Universums gehörte. Solche Erfahrung hatten unausweichlich unter anderem einen sehr eingeschränkten Moralkodex zur Folge; und erstaunlich wenig ›edle Gesinnung‹.
»Er ist kein ›Mörder‹, Ruth«, sagte sie leise. »Du bist weder fair noch genau, wenn du ihn so nennst, und das weißt du so gut wie ich.«
»Er hätte sie aufhalten können! Dieser lausige Bastard!«
Berry sagte nichts. Zum einen, weil man nichts einwenden konnte - Cachat hätte in der Tat das entsetzliche Sterben verhindern können. Zum Großteil zumindest. Auf jeden Fall hätte er früh genug warnen und die Queen’s Owns vor dem Tod bewahren können.
Doch vor allem schwieg sie, weil sie wusste, dass sich Ruth keineswegs deswegen so sehr grämte. Die Prinzessin würde ihre Toten beweinen und eine klare Wut gegen den Mann richten, der zugelassen hatte, dass sie starben, doch nicht das hatte sie so vollkommen erschüttert, sondern der Umstand, dass sie sich hinterher, ohne zu zögern, mit Cachat verbündet hatte.
Berry sah, wie Webs Gesicht sich erhellte. Auch er hatte endlich begriffen.
»Oh.«
Ja, Web, dachte sie verdrießlich. ›Oh.‹ Ruth besitzt vielleicht die Gene ihrer leiblichen Eltern, aber sie ist ihr ganzes Leben lang eine Prinzessin gewesen. Was meinst du denn wohl, wie sie reagiert, wenn sie das schließlich einholt ?
»Oh«, wiederholte Web. Seufzend fuhr er sich mit der Hand über das kurze Haar. »Ruth ...«
Die Prinzessin sah ihn mit verweinten Augen an. Du Havel seufzte tiefer und blickte Berry bittend an, doch sie schüttelte den Kopf. Du Havel sollte diese Sache allein bewerkstelligen. Berrys Aufgabe bestand im Augenblick allein im Spenden von Trost.
»Ich würde mich dafür nicht allzu hart geißeln«, sagte Web leise. »Wenn man bedenkt, woher Sie kommen, Ruth, spricht es für Sie, dass Sie diese emotionale Reaktion jetzt haben. Zumindest da, wo ich herkomme, spricht für Sie aber auch, dass Sie, als alles geschah, nicht anders reagiert haben.«
Jetzt war Ruth verwirrt. »Hä?«
Webs normalerweise freundliches Gesicht zeigte harte Linien. »Prinzessin, ich möchte offen reden. Jemanden wie Victor Cachat begreife ich weitaus besser als Sie. Ich hatte nicht das Geringste gegen Lieutenant Griggs und seine Gruppe - Sergeant Hofschulte habe ich sogar gemocht -, aber sie haben mir andererseits auch nichts bedeutet.«
Mit
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