Honor Harrington Bd. 16
Idiot High Ridge in unserer Beziehung zu Erewhon bereits angerichtet hat, kann ich nur versuchen, die Konsequenzen von Cachats Vorhaben nach Möglichkeit zu minimieren. Aufhalten kann ich ihn ganz gewiss nicht, und wenn ich es versuche, verursache ich nur neuen, noch schlimmeren Schaden. Mir steht daher nur eine einzige pragmatische Reaktion offen: mich einschalten und ihm helfen. Nur so darf ich hoffen, dem Sternenkönigreich ein wenig Ansehen zu retten: indem ich zeige, dass Manticore - oder wenigstens meiner Familie - die moralische Verantwortung für die Beseitigung des Congo-Problems weiterhin bewusst ist.«
»Nur aus Pragmatik und einem Gefühl für Realpolitik, Königliche Hoheit?«, fragte Du Havel leise, und sie schaute rasch auf. Eigenartig, wie solch ein dicklicher Mann einen Adlerblick haben konnte.
»Geht es Ihnen nur darum?«, bohrte er nach. »Politische Berechnung? Nun, Sie haben selbstverständlich Recht. Meine eigene Analyse entspricht der Ihren beinahe genau; obwohl ich sicher bin, dass Sie sich mit der hiesigen politischen, diplomatischen und militärischen Situation weitaus besser auskennen. Doch ist das wirklich der einzige Grund, weshalb Sie ihn so bereitwillig unterstützt haben?«
Sie sah ihn eine Weile ungerührt an, dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein«, gab sie leise zu. »Ich wünschte fast, es wäre so, aber es ist anders.« Sie atmete tief durch. »Wie Sie sagten, ist es Cachats erklärte Absicht, wegen Congo etwas zu unternehmen, ganz gleich, was er außerdem vorhat. Wenn ihm das gelingt, sind die Folgen für Manpower und die Institution der Gensklaverei überhaupt...«
Sie schüttelte wieder den Kopf.
»Meine Leute sind schon tot«, sagte sie noch leiser. »Ich kann sie nicht ins Leben zurückrufen. Doch wenn Cachat seinen Congo-Plan durchführen kann, hätte ihr Tod wenigstens einen Sinn gehabt.«
»Genau«, sagte Du Havel. »Genau darauf wollte ich hinaus. Sie scheinen es ohnehin bereits begriffen zu haben - zumindest vom Verstand her. Ich bin sogar bereit zuzugeben, dass Sie in den übrigen Punkten vollkommen Recht haben, bei diesen anderen Pflichten und Verantwortungen. Unter dem Strich steht jedoch, dass Sie deswegen hier und jetzt überhaupt nichts unternehmen können. Ihren anderen Pflichten hingegen können Sie jetzt sehr wohl nachgehen. Den Pflichten, die jeder hat - wie zum Beispiel die Gensklaverei mit allen erdenklichen Mitteln zu bekämpfen.«
Er schnaubte hart, sein Gesicht wurde grimmig.
»Das ist der Standpunkt eines ehemaligen Sklaven, Königliche Hoheit. Verpflichtung und Verantwortung knüpfen komplizierte Netze, und Ihr Netz ist so kompliziert, wie es nur geht. Doch wie bei allen Gordischen Knoten kommt irgendwann der Augenblick, in dem man die Verdrehungen und Verflechtungen und Einschnürungen nur noch zerhauen kann. In unserem Fall ist das Schwert, das diesen Streich führt, brutal einfach. Ihnen bleibt nichts weiter zu tun, als in sich hineinzublicken und zu sehen, ob Sie den Mumm - und die Integrität - besitzen, es aufzuheben und zu schwingen.
Nun, wie wird es kommen, Prinzessin ? Werden Sie sich weiter für Ihren angeblichen Verrat an Ihrer Moral geißeln, oder gehören Sie zu den seltenen Vertretern der oberen Zehntausend, die sich nicht scheuen, ihre Hände schmutzig zu machen? Persönlich hoffe ich ja, dass Sie weiterhin Ihren Instinkten vertrauen.«
Ruth blickte noch einmal auf ihre Hände, dann faltete sie sie auf dem Schoß.
»Ihr beiden wäret wirklich miserable Psychotherapeuten«, erklärte sie. »Solltet ihr nicht ... ihr wisst schon. Wenigstens ein bisschen mitfühlend sein?«
Berry hielt Webs Antwort für ausgesprochen ungehobelt. »Warum?«, herrschte er die Prinzessin an. Berry hatte Ruth bereits wieder in die Arme genommen.
»Seien Sie kein Bastard, Web«, knurrte sie.
»Wie denn? Ich bin ein Bastard.« Er streckte die Zunge heraus, zeigte den genetisch aufgeprägten Markierung, wies mit dem stummelartigen Zeigefinger darauf. »Weht ihr? Pfon Eidern geine Wede.«
Er zog die Zunge wieder ein. »Nichts. Weder Mutter noch Vater vermerkt, die mich anständig hätten erziehen können. Nur ›J-16b-79-2/3‹. Das bin ich. Als Bastard geboren und aufgewachsen.«
Ruth rang sich eine Art Lachen ab. »Sie brauchen sich darauf vielleicht nicht ganz so viel einzubilden.«
»Ganz bestimmt nicht«, gab Berry ihr Recht. Sie drückte Ruth noch fester. Berry verstand Webs Standpunkt sehr gut - und Cachats ebenfalls. Sie teilte ihn sogar in
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