Honor Harrington Bd. 16
ganzen Zweig uns’rer Familie typisch ist. Was in Gottes Namen denkst du dir eigentlich? Unsre Beziehungen zu Erewhon sind schon schlecht genug, ohne dass du auch noch eine völlig grundlose öffentliche Beleid’gung draufsetzt.«
Sie ging wütend auf Abstand. »So kannst du nicht...«
»Mit dir reden? Hast du ’ne Ahnung. Jetzt will ich eine Antwort auf meine Frage!«
Die Gräfin presste die Lippen zusammen. Dann plötzlich trat ein Ausdruck auf ihr Gesicht, der vielleicht listig hätte sein können.
»Aha, ich verstehe. Du bist ihr nur einmal begegnet, soweit ich weiß, deshalb erinnerst du dich wahrscheinlich nicht.«
»Wovon redest du da?«
Jawohl, es war in der Tat ein listiger Ausdruck. »Ha! Du hast dich anführen lassen, Michael. Die Erewhoner halten uns zum Narren. Genauer gesagt, versuchen sie es, aber ich habe sie durchschaut. Diese angeblich entführte Prinzessin ist nicht entführt. Ich kenne Prinzessin Ruth - und sie war in den Nachrichten und hat über ihre Abenteuer geplaudert. Man muss mit Nanotechnik ihr Aussehen verändert haben, aber die Stimme hat sie verraten. Diese Irren haben sich das andere Mädchen geschnappt, die kleine Zilwicki.«
Oversteegen schüttelte den Kopf - nicht um zu widersprechen, sondern um ihn zu klären. Die Gedankengänge der Botschafterin ergaben nicht den geringsten Sinn.
»Ich sehe nicht, welche Bedeutung das für diese leid’ge Affäre ha’m soll - vorausgesetzt, es ist wahr, was ich nicht abstreiten will. Aberweichen Unterschied macht es? Egal, welches Mädchen Templeton und seine Irren entführt ha’m, wir können deswegen nicht die Erewhoner beleidigen.«
Fraser gelang es nun, eine Miene aufzusetzen, die Verschlagenheit und Enervierung zugleich ausdrückte. »Ach, Michael, um Gottes willen! Ich habe die Erklärung doch nicht abgegeben, um die Gefühle unserer lieben kleinen Erewhoner zu verletzen. Sondern einfach, um uns - dich, um genau zu sein - aus einer unmöglichen Situation herauszuholen. Wenn das Mädchen in der Hand dieses Templeton wirklich Prinzessin Ruth wäre, dann müssten wir sie befreien, koste es, was es wolle. Aber so...«
Sie zuckte mit den Schultern. »Natürlich hoffe ich, dass der kleinen Zilwicki nichts zustößt. Für das Sternenkönigreich allerdings ist das ohne Bedeutung, nicht wahr? Und was immer geschieht - dank meiner Erklärung fällt die Schuld auf die Erewhoner und nicht auf uns.«
Oversteegen starrte sie vielleicht fünf Sekunden lang an. Als diese Zeit verstrichen war, hatte seine blinde Wut ihn verlassen und war von etwas ersetzt worden, das dem Überdruss sehr nahe kam.
»Bei uns’rer kleinlichen Erört’rung will ich mal ganz beiseite lassen, dass wir über das Leben einer Teenagerin sprechen, denn mir ist klar, dass solche Erwägungen unter deiner Würde sind. Weil ich aber glaub’, dass ich’s bisher auf keinem uns’rer Familien treffen getan hab’ - jedenfalls nicht so deutlich, wie’s nötig ist-, möcht’ ich die Gelegenheit ergreifen, dir zu sagen, wie unfasslich hirnlos du bist, Deborah. Hirnlos im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht einfach bloß dumm. Ge-him- los. Anders ausgedrückt: Du hast den Verstand einer Mohrrübe.«
»Ich lasse mir ...«
»Du Schwachkopf! Erstens wird die gesamte bewohnte Galaxis uns für unser Handeln - oder unser Nichtstun - in dieser
Affäre sehr wohl verantwortlich mach’n. Aber darum geht’s mir gar nicht, Deborah. Für dich sind solche Spätfolgen nämlich gar nicht mehr int’ressant, das steht fest. Denn wenn Anton Zilwicki zu dem Schluss kommt, dass du für’n Tod seiner Tochter verantwortlich bist, wird’s ihn, das kann ich dir versichern, kein bisschen beeindrucken, dass du offiziell keine Verantwortung trägst. Er ist ein ziemlich berüchtigter Geselle, du hast bestimmt schon von ihm gehört. So wie ich es sehe, hat er keinen großen Respekt vor Flöhergestellten.«
Er streckte den Finger nach dem Bedienfeld aus. »Dieses Gespräch ist vorbei, weil’s ganz offensichtlich sinnlos war, es überhaupt anzufangen. Ich möchte dich dran erinnern, Frau Botschafterin, dass ich als befehlsha’mder Raumoffizier in diesem System verpflichtet bin, mich mit dir abzusprechen, aber keineswegs deiner Befehlsgewalt unterlieg’. Also, Deborah, sagen wir, wir ha’m ’ne Absprache getroffen - du bist ein Kretin, und ich hab’ dir den Verstand abgesprochen -, und jetzt wende ich mich wieder meiner Pflicht im Dienst Ihrer Majestät zu.«
Oversteegen drückte den Knopf,
Weitere Kostenlose Bücher