Honor Harrington Bd. 16
die auf der Bettkante der Besatzungskammer hockten, die sie mit Victor bewohnte. Berry und Ruth bemühten sich nach Kräften um beiläufige Gelassenheit, wollten fast nonchalant wirken, als machten sie solche Angebote jede Woche.
Allerdings gelang es ihnen nicht. Nicht einmal entfernt. Beide von ihnen - besonders aber Berry - waren ganz offensichtlich sehr angespannt.
»Ihr seid verrückt«, erklärte Thandi. »Ich möchte euch auf ein paar Tatsachen aufmerksam machen. Ich bin ein Lieutenant. Okay, ein First Lieutenant mit mehr Erfahrung, als ihr sonst findet werden. Trotzdem besitze ich weder die nötige Ausbildung noch die Erfahrung, die für das notwendig ist, was ihr von mir wollt. Ich würde es wahrscheinlich vermasseln, und dann ...«
Sie verstummte, während sie aufwallende Wut unterdrückte. Nicht dass ich meinte, ich wäre dazu nicht fähig- wenn diese hochnäsigen Dreckskerle im Oberkommando der SLN mir je die gleichen Chancen gewährt hätten wie ihren Lieblingen. Ehe Captain Rozsak auf mich stieß, heißt das.
Sie schüttelte die Gedanken ab. Ihr Zorn auf das Elitedenken innerhalb der Solaren Liga gehörte nicht hierher; hier ging es um etwas anderes. Doch Tatsachen blieben Tatsachen, ob sie nun Tatsache sein sollten oder nicht.
»Ich bin nicht, wen du brauchst, Berry. So einfach ist das.«
Berry schaute bestürzt drein - sehr bestürzt - und wandte den Blick ab. Thandi sah, wie ihr die Tränen in die Augen traten, und empfand ein plötzliches, tiefes Schuldgefühl, den scharfen Schmerz, den eine große Schwester empfindet, wenn sie begreift, dass sie ihre kleine Schwester im Stich gelassen hat.
Ruth hingegen schien sich aufzurichten. So nahe sie und Berry einander mittlerweile auch standen, im Naturell unterschieden sie sich sehr. Berry war im Wesentlichen ein Problemlöserin, Ruth mehr eine Frau, die Herausforderungen liebte. Wenn man beide vor eine steile Felswand stellte, würde Berry nach einem Weg suchen, auf dem sie das Hindernis umgehen konnte - während Ruth die Wand musterte und nach Stellen Ausschau hielte, wo man sich festhalten konnte.
»Da irren Sie sich, Lieutenant Palane. Sie sind genau die Person, die Berry braucht. Königin Berry, Gründerin des Hauses Zilwicki, Monarchin einer kleinen, neu geschaffenen Sternnation, sollte ich sagen - denn das ist die konkrete Lage, in der wir uns befinden. Und das übersehen Sie gerade.«
Thandi setzte zu Einwänden an, besann sich jedoch eines anderen. »Erklärung«, sagte sie knapp.
»Niemand verlangt, dass Sie plötzlich das Oberkommando über die Bodentruppen einer größeren Sternnation übernehmen, die mitten im Krieg ist, Lieutenant. Jawohl, das wäre wirklich eine Verrücktheit, selbst wenn Sie die Reinkarnation von Napoleon oder Alexander dem Großen wären. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass beide noch sehr jung waren, als sie zu großen Feldherren aufstiegen.« Sie kam Thandis Erwiderung zuvor, indem sie die Hand hob. »Aber, ja, selbst zu Beginn ihrer Karriere als Eroberer wurde die Ausbildung keines von beiden auf die eines Kompanieführers beschränkt; sie konnten andere Erfahrungen machen. Na und?«
Ruth vermochte ihre Energie nicht mehr zu zügeln. Sie erhob sich und begann auf und ab zu schreiten. Es sah ein wenig komisch aus, weil die Kammer klein war und ihre Schritte energisch. Wie sie hin und her huschte, um ihre
Gedanken zu ordnen, erinnerte sie Thandi an einen tatendurstigen Hamster im Käfig.
»Hören Sie, Lieutenant. Offensichtlich wird Berrys neue Sternnation eine sehr simple Außenpolitik verfolgen, was den Krieg betrifft. Congo - egal, wie man ihn nennt - wird sich gegenüber jeder Sternnation außer Mesa absolut neutral verhalten. Als Oberkommandierende der Streitkräfte würde Ihre Pflicht also nicht darin bestehen, Armeen in einem Mehrfrontenkrieg zu führen. Sie hätte völlig andere Aufgaben. Erstens hätten Sie einen Krieg gegen einen Planeten voller Drecksäcke und Abenteurer zu planen und auszuführen ...«
Thandi lachte. Es klang mehr nach einem Krächzen. »So, so? Meinen Sie nicht, dass Jeremy X da noch ein Wörtchen mitzureden hat?«
Ruth schüttelte sehr nachdrücklich den Kopf. Sie schritt noch immer auf und ab - genauer gesagt, huschte sie hin und her. »Aber sicher. Na und? Er sitzt dabei, als Kriegsminister. Natürlich ist er Ihr direkter Vorgesetzter, aber er ist nicht Teil des Militärs. Außerdem kommt mir Jeremy wie ein Mann vor, den Resultate mehr interessieren als die
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