Honor Harrington Bd. 16
unabhängiger Planet voller Ex-Sklaven, der gegen Mesa kämpft, kann alle möglichen Gefallen einfordern. Und wo man mit Gefallen nicht mehr weiterkommt, kann man den einen gegen den anderen ausspielen. Manticore schickt Ihnen schon allein deshalb Berater, um Haven - oder die Andermaner oder die Solarier - außen vor zu halten. Außerdem ...«
Die junge Frau unterbrach sich, und ihre Augen schauten ein wenig in die Ferne. »Es ist schwer, es sich vorzustellen, aber ... ich glaube, Ihnen ist nicht klar - weiß nicht, ob überhaupt einer von uns es sich schon klar gemacht hat -, welche Wirkung Congos Befreiung auf die manticoranische Öffentlichkeit haben wird. Besonders auf die Freiheitspartei. Und im Sternenkönigreich gibt es viele Freiheitler, Thandi. Vergessen Sie New Kiev und ihre Clique, ich meine das Parteivolk, den Durchschnittswähler. Die, die sich langsam annähern an ...«
Sie wies dramatisch auf Berry. »Ihre Mutier. Gottverdammt noch mal, Thandi, überlegen Sie doch! Seit Jahren führt New Kiev die Freiheitler immer tiefer in den Schlamm. Jetzt plötzlich erscheint eine Lichtgestalt, sauber und rein. Sie hat ein Ziel. Ein Ziel, das jeden Freiheitler begeistert - und viele andere Leute auch.« Mittlerweile überschlug sich ihre Stimme fast. »Ich wäre nicht überrascht, wenn immer mehr Freiwillige nach Congo kämen. So etwas ist in der Geschichte schon passiert, wissen Sie, oft sogar. Einige dieser Freiwilligen werden militärische Erfahrung besitzen. Ganz zu schweigen, dass durch High Ridges Politik zahlreiche erfahrene Offiziere auf dem Trockenen sitzen - ohne Kommando auf Halbsold -, und darunter sind viele gute Leute. Davon werden einige zu Ihnen stoßen, und sei es nur, weil sie sich langweilen.«
»Vorausgesetzt, der Waffenstillstand zwischen Manticore und Haven hält. Wenn der Krieg wieder ausbricht, können wir es vergessen.«
»Wirklich? In diesem Fall steigt doch nur der Druck auf beide Sternnationen, auf Congo an Einfluss zu gewinnen. Wie auch immer, Thandi, es gibt so viele Wege, das zu erreichen, was wir wollen, dass immer eine Möglichkeit besteht.« Sie schüttelte den Kopf. »Trotzdem ist das nur ein Nebenaspekt, denn der Hauptgrund, weshalb Berry niemand anderen als Sie als militärische Oberkommandierende benötigt, hat nichts mit Außenpolitik zu tun. Sie braucht in dieser Position jemanden, dem sie vertrauen kann. Und ganz gleich, was Sie können oder nicht können, in einer Hinsicht bräuchte sich Berry bei Ihnen keine Sorgen zu machen: ob Sie eventuell einen Staatsstreich planen.«
Thandi grunzte. »Warum sollte sie das glauben?« Sie blickte Berry so finster an, wie sie konnte. Was ihr - nicht leicht fiel. Dem Blick dieser offenen, klaren jungen Augen zu begegnen. »Ich habe Ehrgeiz, meine Damen. Deshalb habe ich Ndebele verlassen - dafür habe ich mich verkauft, wenn ich musste. Darum habe ich mich auf die Chance gestürzt, in Rozsaks Stab aufgenommen zu werden, obwohl ... Na, sagen wir einfach, dass nicht jeder Auftrag, den der Captain mir erteilt hat, nach Rosen duftete. Aber geschluckt habe ich ihn trotzdem. Und ich würde es wieder tun.«
Aber noch während sie sprach, bemerkte sie, wie die Barschheit aus ihrer Stimme verschwand. Bis am Ende nichts mehr übrig war als ...
Ein sehr schlechter Nachgeschmack. Nichts, was eine bestimmte Tat oder ein bestimmtes Verhalten während ihrer Vergangenheit hinterlassen hätte, sondern der saure, beißende Geschmack des Ehrgeizes selbst. Plötzlich ging es Thandi Palane auf, dass sie den Ehrgeiz überhaupt nicht mochte. Sie hatte ihn sich aufgeschnallt als Werkzeug, um ihrer Vergangenheit zu entkommen - und seither beibehalten, weil sie nicht wusste, was sie mit ihrem Leben sonst anfangen sollte.
Noch immer starrte sie Berry in die Augen. Aus ihnen waren nun die Tränen verschwunden. Übrig war nur noch der klare Blick, den Thandi, wie sie - gleichzeitig - bemerkte, verzweifelt vermissen würde, wenn er einmal erloschen wäre.
»Ich war neugierig«, sagte Berry leise, »deshalb habe ich ein wenig recherchiert. Auf Ndebele bedeuten Namen normalerweise etwas, wie ich herausgefunden habe. Deiner zum Beispiel. ›Thandi‹ heißt ›Ich liebe dieses Mädchen.‹«
Thandi schluckte und erinnerte sich an einen Vater - den sie nur kurz gekannt hatte, denn er war früh gestorben. Ihr Vater war meistens betrunken gewesen, aber er hatte sie niemals grausam behandelt. Immer hatte er versucht, wenn es irgend möglich war, ihr etwas zum
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