Honor Harrington Bd. 16
das.«
»Den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte Anton leise. »Ganz genau meine Überlegung. Worin also besteht der verzweifelte, gefährliche Geheimeinsatz hier auf Erewhon?«
Ruth und er tauschten einen wissenden Blick. Berry zog ein Gesicht. »Warum komme ich mir in dieser Runde bloß wie ein Dummkopf vor?«
»Mach dir nichts daraus«, sagte Du Havel lächelnd. »Ich verstehe auch nicht, worüber sie so blöd grinsen - und ich bin Nobel-Shakhra-Preisträger, was bedeutet, dass ich eigentlich ein Genie sein müsste, was Politologie angeht.«
Ruth lächelte sie heiter an. »Schon gut, Berry. Du denkst eben nicht so hintertrieben wie wir, das ist alles. Und Web kennt die Einzelheiten nicht. Ich muss aber sagen, dass für jemanden, der so denkt wie wir und den Hintergrund kennt, die Antwort ein Kinderspiel ist.«
»Ein echter Mist«, stimmte Anton ungnädig zu. »High Ridges arrogante Politik gegenüber Manticores Verbündeten hat alle Alliierten verärgert, Erewhon wahrscheinlich stärker als irgendjemanden außer Grayson - und die Erewhoner haben eine lange Tradition der Realpolitik. Um auf den Kern zu kommen: Victor Cachat - und Ushers Frau ebenfalls, ich glaube keinen Augenblick, dass sie im Dunklen tappt - sind hier, um ein wenig den Advocatus Diaboli zu spielen.«
Er seufzte. »Morgen gehe ich zu unserer Botschafterin hier und spreche mit ihr.« Er seufzte tiefer. »Und wenn sie mir keine Beachtung schenkt, dann verschwende ich meine Zeit, indem ich mit dem Chef des hiesigen SIS-Büros spreche.«
»Du sprichst von der Gräfin Fraser und Charles Wrangel«, sagte Ruth. »Du verschwendest deine Zeit.«
Anton nickte. »Fraser und Wrangel gegen Cachat und Usher. Das nenne ich einen ungleichen Kampf.«
»Na, du musst auch die positive Seite sehen«, erwiderte Berry fröhlich. »Wenigstens irrt sich Ms Usher - Ginny, meine ich, und Mensch, kann ich die gut leiden - in einer Sache: Wir sind in keiner gefährlichen, verzweifelten und geheimen Mission unterwegs.«
Sie hatten den Rand der unmittelbaren Umgebung des Zeltes erreicht und standen auf einem riesigen improvisierten Parkplatz auf einem Feld irgendwo vor den Stadtgrenzen Maytags, der schlecht erleuchtet war. Dementsprechend waren die Soldaten von den Queen’s Own näher an sie herangetreten - und als sich nun ein Mann aus der Dunkelheit näherte, schlossen sie einen noch engeren Kreis.
Der Mann breitete die Hände ein wenig aus, eine subtile
Geste, die zeigen sollte, dass er unbewaffnet war. Das und seine Uniform der Solarian League Navy bewirkten, dass die Leibwächter sich ein wenig entspannten.
»Captain Zilwicki«, sagte er mit leiser, angenehmer Stimme. »Lieutenant Manson, Offizier im Stab von Captain Rozsak. Könnte ich wohl kurz unter vier Augen mit Ihnen reden?«
»Warum kommt’s mir bloß so vor, als stünde ich am Beginn eines Albtraums?«, brummte Anton unhörbar vor sich hin.
Laut sagte er: »Aber sicher, Lieutenant. Web, Berry, Prinzessin Ruth« - absichtlich nickte er jeweils dem falschen Mädchen zu »wartet bitte einen Augenblick auf mich.«
Als Anton wieder aus der Dunkelheit hervortrat, kam er Ruths Frage zuvor, indem er schnarrte: »Später.«
13
Obwohl Victor Cachat keinerlei Möglichkeit hatte, sich mit Anton Zilwicki abzusprechen, reagierte er auf Jessica Stein ganz genauso.
»Irgendwas an dieser Frau macht mir eine Gänsehaut«, raunte er Ginny zu, nachdem sie der trauernden Tochter und den engen Freunden des Märtyrers kondoliert hatten und sich still von der Empore entfernten.
»Was denn genau?«, lachte Ginny. »Die Art und Weise, mit der sie während eines Lidschlags millimetergenau den politischen Wert unserer Beileidsbekundungen eingestuft hat? Die Art, wie sie uns keine Nanosekunde zu spät verabschiedet hat? Wie sie Cassettis nicht allzu geistreiche witzige Bemerkungen ostentativ bewunderte? Oder liegt es nur daran, dass man, wenn sie über seine dämlichen Witze lacht, ihr Pferdegebiss sieht?«
Ginny nahm Victor beim Arm und lenkte ihn mit Bestimmtheit zu einem näher kommenden Robotablett. »Ich brauche etwas zu trinken. Bei mir waren es ihre Sandaletten. Du kannst mich meinetwegen altmodisch nennen, aber ich finde nicht, dass man zu einem Begräbnis hochhackige Sandaletten trägt.«
Victor warf einen Blick auf Ginnys Füße. »Und wie nennst du das?«
»Ich bin hier nicht die trauernde Tochter«, entgegnete Ginny bestimmt, schnappte sich zwei Gläser von dem vorbeischwebenden Robotablett und gab
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