Honor Harrington Bd. 16
erwärmte.
»Ich bin übrigens Naomi Imbesi. Wie Sie sich sicher schon denken, ist unsere Begegnung ungefähr so zufällig wie eine manipulierte Lotterie. Trotzdem finde ich, dass ich sie nach außen hin ganz gut eingefädelt habe.«
Ginny erwiderte das Lächeln genauso groß und fröhlich. »Ich fand Sie großartig. Und das Outfit ist perfekt. Was ist es überhaupt? Eine Art Reitkostüm? - es betont Ihre Figur ideal. Allein schon die Brust sollte man in Bronze hauen. Und die Hüften und den Hintern auch.«
»Ich würde es Jodhpurhosen und Weste nennen, nur würde ich dann vor Lachen sterben - das können Sie mir glauben; allein dieses Ding zu tragen, so wie ich gebaut bin.« Recht zufrieden blickte sie an sich hinunter.
Genau diesen Bau bemühte sich Victor nach Kräften nicht anzuglotzen. Naomi Imbesi hatte eine üppige Figur, wie sie in der modernen Gesellschaft abschätzig als ›vollschlank‹ bezeichnet wurde, während ein guter Prozentanteil ebendieser Gesellschaft heimlich von ihr fantasierte.
Ginnys spitzer Ellbogen traf ihn die Rippen. »Du Flegel! Da macht die arme Frau sich solche Mühe, und du guckst nicht mal hin? Sie müssen schon entschuldigen, Naomi. Er ist wirklich ein süßer Junge - ganz ehrlich -, aber ungefähr so kultiviert wie eine Schildkröte. Kein Funken von Savoir-faire.«
Sie hob das Glas und trank aus, dann blickte sie sich um. »Aber was beschwere ich mich? Wo wir schon von Savoir-faire reden, sollte ich wohl langsam mit der Arbeit anfangen.«
Victor musste sie mit einem leichten Stirnrunzeln angesehen haben, während er ihrem Gedankengang zu folgen versuchte. Als sie den Ausdruck sah, grinste sie ihn zuckersüß an.
»Mich hemmungslos zu besaufen, du Schafskopf. Bis ich ins Koma falle. Wie sonst sollen wir die lästige Geliebte aus dem Weg schaffen, damit die Geschichte weitergeht?«
Sie lenkte das Lächeln auf Naomi. »Dauert nicht lange. Ich vertrage überhaupt keinen Alkohol.« Im nächsten Moment hielt sie schnurgerade auf das nächste Robotablett zu.
Als Victor wieder Naomi anblickte, bemerkte er, dass sie ihn musterte. Sie lächelte zwar noch, doch in ihren Augen stand mehr Berechnung als gute Laune.
Doch was immer sie gesehen hatte, musste sie beruhigt haben, denn die Heiterkeit kehrte sofort zurück. »Keine Sorge, Victor. Es tut nicht weh.«
Als er endlich begriff, errötete er ein bisschen und unterdrückte den Impuls, ihr zu entgegnen: Wissen Sie, ich bin schon mal verführt worden. Einen Augenblick lang sehnte er sich verzweifelt nach einem in den Nouveau Pariser Slums gebrauten Bier. Okay, nur einmal, als ich sechzehn war und eine Freundin meiner älteren Schwester... ach, ist doch egal.
Ginny marschierte zu ihnen zurück. Triumphierend hielt sie vier Gläser hoch. »Drei für mich und eins für Naomi«, verkündete sie bei ihrer Ankunft. »Du bekommst nichts, Victor, denn du verträgst auch keinen Alkohol, und wir können es uns nicht leisten, die Gelegenheit auszulassen.« Sie reichte Naomi ein Glas. »Äh, wohl keine gute Wortwahl.«
Naomi und Ginny brachen in Gelächter aus. Victor errötete wieder und ergab sich in ...
Nun, eine sehr angenehme Nacht vermutlich, gewiss. Aber, da war er sich sicher, darauf würde eine nicht enden wollende Periode des Spottes folgen.
Während Naomi und Ginny miteinander plauderten, sank er immer tiefer in eine trübselige Vorahnung, wie lange dieser Spott anhalten würde. Ginny allein war schon schlimm genug, wenn sie ihn aufzog. Nun aber schien sie eine Gleichgesinnte gefunden zu haben, die ihren niederträchtigen Sinn für Humor teilte ...
Er steckte so tief in seinen grämlichen Grübeleien, dass der heftige Zusammenstoß ihn völlig überraschte. Er stürzte nur deswegen nicht zu Boden, weil eine harte und sehr kräftige Hand ihn beim Arm festhielt.
Die Reflexe, die er durch ständiges Training erhalten hatte, setzten ein. Im Laufe der letzten Jahre war Victor unter Kevin Ushers gnadenloser Anleitung zu einem zwar nicht von Natur aus begabten, aber doch recht guten Kampfsportler geworden. Er entwand seinen Unterarm dem Griff, wandelte die Bewegung in einen Ellbogenstoß um, während er mit dem Fuß ausholte, und ...
Der Tritt wurde durch einen Fuß an der Wade abgeblockt, und die ungesehene Hand packte ihn beim Handgelenk, hielt es in einem Griff, der todsicher nur zu einem gebrochenen Ellbogen führen konnte.
Sein Ellbogen. Und seine Wade schmerzte. Der Fuß, der den Tritt abgeblockt hatte, war genauso hart wie
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