Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
Ironie. Schließlich nahm Herzogin Harrington an der Hochzeitsprozession teil. Auch Vertreter der Sternnation, in deren Namen sie seinerzeit angeblich hingerichtet worden war, waren anwesend. Sie saßen in der eigens für sie reservierten Kirchenbank, um zuzuschauen, wie die Prozession den Hauptgang der Kathedrale heraufschritt, auf das Allerheiligste des Gotteshauses zu.
Die Kathedrale erinnerte an eine übergroße Schmuckschatulle: Überall saßen Aristokraten in formeller Hoftracht und den Farben des eigenen Hauses, neben ihnen Bürgerliche, deren elegante Kleidung und Schmuck die eher zurückhaltende Eleganz der höfischen Tracht nur allzu oft in den Schatten stellten. Die bunten Glasfenster leuchteten im Schein der Morgensonne und zauberten Muster aus Farbe und Licht auf die uralten Holzbohlen des Bodens. Die ebenso alten Bronzepfeifen der Orgel waren von Hand auf Hochglanz poliert. An allen Messgewändern glitzerten Stickereien; in den Kerzenleuchtern fing sich funkelnd das vielfarbige Licht. Die unvermeidliche Traube aus Journalisten hatte man soeben auf die Emporen im Narthex verbannt. Dort fielen sie wenigstens nicht ganz so auf.
Vor all der Farbenpracht, dem Meer aus Stoff und Juwelen, aus Licht und Klang, hob sich die Braut wie ein Traumbild ab: eine schlanke, weiße Schönheit mit Blumen im Arm. Eine Hand hatte sie auf den Arm ihres Vaters gelegt und schritt nun inmitten des Brautzuges mit anmutigen Bewegungen das Kirchenschiff hinauf. Beinahe schien die Braut zu schweben, als werde sie von der Musik selbst getragen.
Bräute, vor allem königliche Bräute, sind immer wunderschön. Das ist ein unanfechtbares Naturgesetz – man braucht ja nur einen Schriftsteller oder Journalisten zu fragen. Aber hier stimmt es wirklich , dachte Honor. Es stimmte, obwohl Rivka Rosenfeld keine strahlende Schönheit war – das hätte man wirklich nicht über sie behaupten können: Sie war unbestreitbar attraktiv, besaß ein fein geschnittenes, intelligentes Gesicht in der Blüte der Jugend, aber schön war sie nicht. Es lag auch nicht daran, dass die besten Friseure und Kosmetiker des ganzen Sternenimperiums sich stundenlang um sie gekümmert hatten. Nein, es lag schlichtweg an dem Leuchten in ihren Augen, als sie am anderen Ende des schier endlos wirkenden Mittelgangs der Kathedrale Roger Winton erblickte.
Honor musste sich eingestehen, dass Teil von Rivkas Zauber an diesem Tag Rivkas eigener erlesener Geschmack war.
Rivkas Mutter Shamirah hatte zwar noch die Verlobung ihrer Tochter miterlebt, doch während des verheerenden Angriffs auf das Doppelsternsystem von Manticore hatte sie gerade Verwandte in Yawata Crossing besucht. Sie zu verlieren hatte Rivka zutiefst erschüttert. Dann hatte Honor erstaunt feststellen müssen, dass Rivka ausgerechnet von ihr verlangte, Shamirahs Rolle bei der Planung der Hochzeit zu übernehmen – oder zumindest ihr Bestes dabei zu geben. Auf diese komplizierte Aufgabe hätte Honor nur zu gern verzichtet. Aber sie wäre niemals auf die Idee gekommen, das offen auszusprechen. Schließlich war das Vertrauen, das Rivka in sie setze, eine beachtliche Ehre. Honors offizielle Pflichten als Brautführerin waren nicht so zeitraubend gewesen wie die von Haushofmeister Wundt oder Arethea Hart. Aber die beiden hatten vor allem die offiziellen Aspekte des Tages im Blick. Honor hingegen hatte sich um Rivka selbst zu kümmern, und mehr als einmal musste sie der furchtlosen Braut heldenhaft Unterstützung zukommen lassen. Es war Unterstützung vor allem gegen das ungeschriebene Protokoll eines solchen Staatsaktes, das der mutterlosen jungen Frau entschieden zu viele Zugeständnisse abzutrotzen versuchte.
So hatte Rivka unerschütterlich auf einem eleganten, aber doch eher schlichten Brautkleid beharrt, ganz ohne aufwendige Stickereien oder funkelnde Juwelen. Und Honor, deren eigener Geschmack in eine sehr ähnliche Richtung ging, unterstützte sie nach Kräften. Natürlich bedeutete Schlichtheit nicht zugleich, dass ein Kleid auch weniger kosten würde. Im Laufe der Zeit hatte Honor deutlich mehr Wissen über Mode und Designerkleider angesammelt, als sie jemals erwartet hatte. Und so wusste sie auch, wie teuer ein schlichtes, aber makellos geschnittenes Brautkleid tatsächlich war. Das Kleid, das Rivka sich ausgesucht hatte, war schlichtweg perfekt: genau das richtige für die schlanke, dunkelhaarige junge Frau mit den bemerkenswert dunklen Augen, die nun ihrem Verlobten entgegenschritt.
Als einziges
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