Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
Erst danach würde öffentlich verkündigt, Roger und Rivka seien nun Mann und Frau. Diese Vorstellung hatte die besonders auf das Protokoll bedachten Angehörigen des Hofes ein wenig entsetzt. Aber beiden Familien war es wichtig, genau so zu verfahren – nicht zuletzt auch, weil Shamirah Rosenfeld den Feierlichkeiten nun einmal nicht mehr beiwohnen konnte. Dank ihrer eigenen Erfahrungen auf Grayson war zumindest Honor daran gewöhnt, noch deutlich heiklere Probleme lösen zu müssen. Und tatsächlich hatten Telmachi, O’Reilly und sie das Problem nachgerade beiläufig in den Griff bekommen.
Der Erzbischof von Manticore und sein jüdischer Kollege lächelten nicht nur – sie strahlten übers ganze Gesicht. Ihre Freude schmeckte Honor deutlich. Im Laufe der letzten Jahre hatte Honor Erzbischof Telmachi recht gut kennengelernt. Deswegen schmeckte sie auch, dass er aus zwei gänzlich unterschiedlichen Gründen Freude empfand. Zum einen freute er sich natürlich für das junge Paar, das ihm sehr viel bedeutete. Doch beinahe ebenso groß war seine Freude darüber, wie sehr diese Hochzeitsfeierlichkeiten Teil und zugleich Ausdruck eines Heilungsprozesses für die ganze Sternnation waren.
Mit Rabbi O’Reilly war Honor nicht annähernd so vertraut. Er war deutlich ruhiger und neigte viel weniger als der Erzbischof zum Überschwang. Doch auch bei ihm schmeckte Honor Freude. Und als er nun sah, wie die junge Frau, die er seit ihrer Geburt kannte, auf ihn zukam, leuchtete sein Glücksgefühl in mancherlei Hinsicht sogar noch heller und kräftiger als das Telmachis.
Auch dem Rabbi waren die heilenden Kräfte bewusst, die von dieser Feier ausgingen. Doch zugleich schmeckte Honor ein Echo ihrer eigenen Gedanken: Sie beide wussten genau, welche gewaltige und daher letztendlich ungerecht schwere Last auf den Schultern des jungen Paares lastete und wie viel von ihnen erwartet wurde. Doch es war wie immer: Zu Krisenzeiten blickte das gesamte Sternenkönigreich stets nach dem Hause Winton. Genaugenommen war das Volk Teil eben dieses Hauses, denn die Verfassung gab nun einmal ausdrücklich vor, dass der Thronerbe niemanden aus der Aristokratie ehelichen dürfe. Die Winton-Dynastie hatte deutlich besser als die meisten anderen verinnerlicht, was diese Verbindung zwischen Hochadel und einfachen Leuten bedeutete – und welche Verantwortung daraus erwuchs. Der Pakt der Untertanen des Sternenkönigreichs mit ihren Regenten ging weit über den Wortlaut des Gesetzes hinaus. Und gerade deshalb war die Verbindung von Roger und Rivka mehr als nur eine große Feier: Sie war ein Versprechen.
O’Reilly schaute Roger an, und der Kronprinz reichte ihm eine illuminierte Schriftrolle. Der Rabbi entrollte sie und ließ den Blick dann über die dicht gedrängt sitzende Gemeinde in der christlichen Kirche schweifen.
»Eine kurze Erklärung für unsere nichtjüdischen Freunde«, sagte er und lächelte. »Dies ist die Ketubba , der Ehevertrag zwischen Rivka und Roger. Dieses Schriftstück ist ein wichtiger Teil unserer Tradition, und zu dieser Tradition gehört auch, dass die Ketubba jetzt laut verlesen wird.«
Er nahm wieder das Dokument in den Blick. Roger und Rivka hatten es unterzeichnet, ebenso die Trauzeugen: er selbst, Chaim Rosenfeld und Justin Zyrr-Winton. Dann trug der Rabbi den Text des Ehevertrags vor: auf Aramäisch, wie es die Tradition gebot. Honor beherrschte diese Sprache zwar nicht, aber das war auch nicht nötig. Sie hatte die Übersetzung der Ketubba gelesen, und selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte Honor doch geschmeckt, welch herrlich reines Band in diesem Moment zwischen Rivka und ihrem Bräutigam geknüpft wurde.
Schließlich endete O’Reilly, rollte das Schriftstück wieder zusammen und trat einen Schritt zurück. Nun war es an Telmachi, sich im Kirchenschiff der gewaltigen Kathedrale umzublicken.
»Geliebte im Herrn!«, begann er. »Wir sind hier gemeinsam erschienen, vor Gottes Angesicht und in Gegenwart dieser Versammlung, um diesen Mann und diese Frau in der heiligen Ehe zusammenzugeben, zu einem Stande, der ehrenhaft ist und von Gott zurzeit der Unschuld der Menschen eingesetzt wurde; der uns den geheimnisvollen Bund zwischen Christus und seiner Kirche bekundet; den heiligen Stand, den Christus geschmückt und verschönert hat mit seiner Gegenwart und seiner ersten Wundertat zu Kana in Galiläa …«
Die uralten, schlichten Worte erfüllten die gespannte Stille im Inneren des Kirchenschiffs, griffen
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