Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
kurzfristig Vorteile verschafft, langfristig gesehen gewaltig in den Hintern beißen wird. Denn unabhängige Quellen werden die Berichte der Mantys ja bestätigen.«
»Na, dann wäre das ganze Manöver ja sinnlos!«, versetzte MacArtney.
»Oh nein, es ergäbe durchaus Sinn«, widersprach Kolokoltsov. »Nehmen wir doch einmal an, Malachais Leute finden wirklich eine Möglichkeit, uns ein bisschen Zeit zu verschaffen, und seien es auch nur ein paar Monate. Dann können wir uns in der Zwischenzeit vielleicht eine sinnvolle Strategie zurechtlegen, wie wir diesen ganzen Schlamassel mehr oder minder unbeschadet überstehen. Im Augenblick habe ich zugegebenermaßen noch keine Ahnung, wie diese Strategie aussehen könnte. Aber entscheidend ist hier doch nur, dass wir unmittelbar vor einer echten Verfassungskrise stehen.«
Völlige Stille. Kolokoltsovs Kollegen blickten ihn schweigend an, nachdem er die unheilvollen Worte ausgesprochen hatte.
»Das ist das Grundproblem, das keiner von uns bisher hat ansprechen wollen«, fuhr er ungerührt fort. »Leider hat Holmon-Sanders, als sie Tsang vom Transit abhalten wollte, das Thema für alle sichtbar ins Rampenlicht gezerrt. Die Manty-Berichte zu Filareta machen alles nur noch schlimmer. Zum ersten Mal seit wer weiß wie vielen T-Jahrhunderten besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Leute den Kaiser anschauen und ganz offen zugeben, dass er splitternackt ist.« Der Reihe nach blickte er die holographischen Abbilder seiner Kollegen an. »Unsere Verfassung war von Anfang an eine Totgeburt. Wir haben gewusst, dass sie nie als Grundlage für ein funktionierendes System dienen konnte. Deswegen haben wir Mittel und Wege gefunden, sie dezent zu umgehen. Mittel und Wege, die, platt gesagt, voll und ganz illegal waren, wenn man sich den Wortlaut der Verfassung anschaut. Jetzt sprechen Leute wie Hadley und Holmon-Sanders das ganz offen aus. Wer normalerweise immer schön ›Na und?‹ gesagt und uns hat gewähren lassen, damit die Liga weiterhin funktioniert, wird das jetzt nicht mehr tun. Man wird in dem, was Filareta passiert ist, einen Beweis dafür sehen, dass wir selbst nicht mehr wissen, wie die Liga funktionstüchtig bleibt. Wenn genug diesen Schluss ziehen und beginnen, Leuten wie Hadley und den anderen verrückten Beowulfianer zuzuhören, könnte die ganze Liga ganz rasch den Bach runtergehen. Und genau darum geht es hier und jetzt!«
»Das … das ist jetzt doch ein bisschen arg viel Panikmache«, erwiderte MacArtney vorsichtig. Nun war es an ihm, der Reihe nach die anderen Gesprächsteilnehmer anzublicken. »Oder nicht?«
Für Kolokoltsov war offensichtlich, dass MacArtney sich gänzlich darauf konzentriert hatte, welche Folgen diese Krise für ihn persönlich haben mochte. Der Permanente Leitende Staatssekretär des Innenministeriums hatte immer nur darüber nachgedacht, wie man die Manty-Problematik lösen könnte, um weiterzumachen wie bisher. Aber nun …
»Panikmache? Sicher nicht, Nathan.« Abruzzi hatte MacArtney noch nie leiden können. Doch seine Stimme klang beinahe schon sanft, als er jetzt mit einem Kopfschütteln fortfuhr: »Zugegeben: Es klingt wirklich ungeheuerlich, ja sogar lächerlich. Aber das hier könnte wirklich die ganze Liga in den Abgrund reißen. Und wenn das passiert, dann weiß Gott allein, was draußen in den Protektoraten ablaufen wird. Ach verdammt, sogar manche der Kernsysteme stehen miteinander nicht gerade auf sonderlich freundschaftlichem Fuße! Wenn die eine Möglichkeit wittern, getrennte Wege zu gehen und vielleicht hier und da Rache zu nehmen an jemandem, der sie irgendwann vor Jahrhunderten mal geärgert hat, werden die sich das keinesfalls entgehen lassen!«
Schweigend saß MacArtney da. Sein Gesicht war aschfahl. Kolokoltsovs Aufmerksamkeit galt wieder Abruzzi.
»Dann erzählen Sie uns doch einmal von dieser Idee, die uns ein bisschen Zeit verschaffen könnte, Malachai!«
»Eigentlich ist es ganz einfach.« Abruzzi zuckte mit den Schultern. »Das Ganze ähnelt dem Spindle-Vorfall. Auch jetzt haben wir bloß die Aussagen der Mantys darüber, was dort geschehen ist, und dazu noch die Berichte der zivilen Reporter im System. Mit anderen Worten: Jegliche Informationen aus erster Hand stammen aus offiziellen manticoranischen Quellen. Also machen wir genau das Gleiche wie bei Spindle.« Wieder zuckte er die Achseln. »Wir lügen.«
»Wie das?«
»An dem, was die Mantys an die Medien weitergegeben haben, gibt es nichts zu deuteln:
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