Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
der unbesiegbaren Solaren Liga ebenso prägnant wie erschreckend in Worte zu fassen!
»Alles hängt von der politischen Stabilität beider Seiten ab«, fuhr Gweon fort. »Angesichts der langjährigen Feindseligkeiten zwischen Manticore und der Republik Haven darf man wohl davon ausgehen, dass interne Spannungen innerhalb des Bündnisses sich ungünstig auf dessen Stabilität auswirken. Allerdings würde ich keine allzu großen Hoffnungen auf diesen Faktor setzen, und das aus mehrerlei Gründen – nicht zuletzt, weil ich der Ansicht bin, sowohl Manticore als auch Haven glauben fest an den Unfug, Mesa manipuliere durch finstere Machenschaften die Politik der Liga. Ein weiterer Faktor wäre ihre gemeinsame Abneigung gegen das, was sie als solarische Arroganz bezeichnen. Darüber hinaus wittern beide ganz offenkundig eine Gelegenheit, auf Kosten der Liga ausgedehnte Territorialgewinne zu erzielen.
Im Falle der Republik Haven sprechen wir hier von einer Sternnation mit einer langen Tradition als Eroberer. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Regierung Pritchart nicht so expansionistisch eingestellt ist wie die Legislaturisten und das Komitee für Öffentliche Sicherheit, muss man doch immer noch berücksichtigen, dass das dortige Militär Expansion durch Waffengewalt gewohnt ist. Havens Zivilbevölkerung hat sich im Laufe der Jahre zweifellos auch an eine derartige Außenpolitik gewöhnt.
Was das Sternenkönigreich – Verzeihung: das Sternen imperium – angeht, so gab es dort bislang keine Tradition des Imperialismus. Zumindest nicht im Sinne gewaltsamer Territorialeroberungen. Macht und Einfluss von Manticore basieren traditionell auf seiner Wirtschaft und auf der Möglichkeit, seine Bedeutung für die Handelsschifffahrt der Liga stetig auszuweiten und mit eigenen Gütern auf die Märkte im Rand und in der Schale zu drängen. Natürlich ist da der immense finanzielle Vorteil, den der Manticoranische Wurmlochknoten dem System verschafft. Dennoch darf man einige weitere Faktoren nicht außer Acht lassen: Die jüngste Expansion des Sternenimperiums in das Territorium der Silesianischen Konföderation und dann auch noch in den Talbott-Sektor hinein lässt zumindest vermuten, dass sich das interne politische Kalkül der Manticoraner von Grund auf geändert hat. Derzeit geht das Amt für Wirtschaftsanalyse davon aus, dass die Manticoraner es für ratsam halten, ihren politischen Einflussbereich auszudehnen. Sie hoffen so ihre wirtschaftliche Dominanz zu stützen und dieser größere strategische Tiefe zu verleihen. Das könnte sogar eine direkte Auswirkung des Konflikts mit den Haveniten sein: eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass eine Einzelsternnation, wie wohlhabend sie auch sein mag, sich im Nachteil befindet, wenn sie gegen eine deutlich größere Multisystem-Sternnation kämpft – einfach, weil eine einzelne Niederlage sie alles kosten kann, was sie hat. In gewisser Weise ist das echte Ironie des Schicksals. Denn die Sternnation, deretwegen sich die Mantys Sorgen gemacht haben, hat sich ihnen nun im Kampf gegen uns angeschlossen.
Doch wie die Beweggründe von Haven und Manticore auch geartet sein mögen, wir werden Folgendes akzeptieren müssen: Ihre Expansionsbestrebungen schweißen beide Nationen nur noch enger zusammen. In diesem Falle wird ihr Bündnis deutlich stabiler sein und vermutlich sehr viel länger halten, als das der Liga recht sein kann.«
Höflich legte der Captain eine Sprechpause ein, um Kolokoltsov die Zeit zu geben, das bislang Dargelegte zu verarbeiten. Bedächtig nickte der Permanente Leitende Staatssekretär. Er war beeindruckt. Gweon mochte ja noch jung sein, aber er wusste sich sehr gut auszudrücken, und es klang, als habe er die Lage auch draußen im Rand sehr viel deutlicher und ungleich detaillierter im Blick als jeder Experte der Navy, den Rajampet je zurate gezogen hatte.
»Wenn ich mich nicht täusche«, fuhr Gweon schließlich fort, »und wir tatsächlich nicht darauf bauen können, dass die Große Allianz sich in absehbarer Zeit in Nichts auflöst, müssen wir das wirtschaftliche Kräftegleichgewicht so betrachten, wie es sich im Augenblick darstellt. Wir müssen darüber nachdenken, wie stabil wir selbst aufgestellt sind.
Wirtschaftlich gesehen verfügen wir über eine Vielzahl industrialisierter, dicht besiedelter Systeme. Auf praktisch allen Kernwelten entspricht der technischen Stand, im Ganzen betrachtet, mindestens dem der Mantys und ist vermutlich allem überlegen,
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