Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
recht niedrige Dienstgrad ohnehin erwarten ließ. Astrid Wang hatte ihrem Chef gerade eine kurze Personalakte auf das Holo-Display seines Schreibtischs geschickt, das nur der Staatssekretär selbst einsehen konnte. Kolokoltsov runzelte die Stirn.
Es war tatsächlich die kürzeste Personalakte, die er je gesehen hatte: nur die allernötigsten, wesentlichsten Daten. Gweon gehörte anscheinend nicht zu den Personen mit ernst zu nehmendem politischen Einfluss, für die Astrid stets entsprechende Akten vorbereitet hielt.
Doch nicht so jung, wie ich dachte , stellte Kolokoltsov fest. Prolong konnte natürlich immer täuschen, aber bei Gweon musste das Zeug erstaunlich gut gewirkt haben. Er sah nicht aus, als hätte er schon fünfundsechzig T-Jahre auf dem Buckel. Trotz der dünnen Personalakte schien Kolokoltsov, als hätte Gweon innerhalb der Hierarchie der Navy recht gute Verbindungen. Das warf natürlich die interessante Frage auf, warum um alles in der Welt er für den Nachrichtendienst tätig war. Das war ja nun wahrlich nicht der schnellste Weg zu einem hohen Rang! Aber vielleicht änderte sich das ja bald. Außerdem hatte Gweon seine derzeitige Verwendung erst vor weniger als fünf T-Monaten angetreten – unmittelbar nachdem Vizeadmiral Yountz es geschafft hatte, auf den nassen Kacheln vor seinem Swimmingpool auszurutschen und sich den Hals zu brechen.
»Herr Staatssekretär, Admiral Kingsford«, begrüßte Gweon die Anwesenden leise und verneigte sich respektvoll.
»Wie ich höre, sind Sie einer der Wirtschaftsexperten der Navy, Captain«, erwiderte Kolokoltsov. »Und Flottenadmiral Kingsford hat Sie hinzugebeten, damit Sie mir etwas berichten. Was könnte das wohl sein?«
Falls die Direktheit dieser Frage Gweon erstaunte, ließ der Captain es sich zumindest nicht anmerken. Er nickte nur, als habe er keine andere Begrüßung erwartet.
»Ich vermute, es hat etwas mit meiner Analyse der wirtschaftlichen Konsequenzen eines Krieges mit dem Sternenimperium von Manticore zu tun, Sir.«
»Ich denke, wir sind uns bereits einig, dass die Konsequenzen alles andere als erfreulich ausfallen dürften, Captain«, versetzte Kolokoltsov trocken. »Darf ich also davon ausgehen, dass Sie noch ein wenig mehr Licht in die Sache bringen können?«
»Ich kann wirklich nicht versprechen, noch mehr Licht in die Sache zu bringen, da ich nicht weiß, welche Berichte Ihnen bereits vorliegen, Herr Staatssekretär«, erwiderte Gweon ruhig. »Aber ich kann Ihnen berichten, wie die Navy darüber denkt.«
»Dann lassen Sie mich doch bitte an diesem Wissen teilhaben!«
»Selbstverständlich, Sir.«
Kolokoltsov hatte den Captain nicht aufgefordert, sich zu setzen. Doch auch das schien Gweon nicht aus der Ruhe zu bringen. Der Offizier des Nachrichtendienstes verschränkte einfach nur die Hände hinter dem Rücken und nahm eine beachtlich gelassene Haltung ein. Dergleichen kannte Kolokoltsov nur von denen, die es gewohnt waren, Besprechungen zu leiten. Dann begann Gweon mit seinen Erläuterungen.
»Ich gehe davon aus, Sir, dass Sie im Augenblick keinen Wert darauf legen, die statistischen Details zu erfahren, auf denen meine Analyse beruht. Aber ich habe das Material bei mir. Wenn Sie es wünschen, händige ich Ihnen den Chip gern aus. Ich habe allerdings bei Ms. Wang bereits eine Kopie für Sie hinterlegt, damit Sie das Material jederzeit durchschauen können. Vorerst werde ich mich darauf beschränken, Ihnen die Schlussfolgerungen meiner Analyse vorzutragen, wenn Ihnen das recht ist.«
Kolokoltsovs Nicken fiel beinahe schon barsch aus.
»Dann, Herr Staatssekretär, möchte ich darauf hinweisen, dass es hier einen entscheidenden Punkt gibt: Jede längere militärische Auseinandersetzung mit den Mantys wäre zugleich auch ein Handelskrieg. Im Augenblick ist der technologische Vorsprung der Mantys schlichtweg überwältigend. Aber unsere Wirtschaftsmacht ist größer als die der Mantys, selbst wenn man das neue Bündnis mit den Haveniten berücksichtigt. Die entscheidende Frage ist nun, ob unsere Größe und unser Wirtschaftspotenzial ausreichen. Können wir einem konzertierten Angriff durch die Große Allianz lange genug widerstehen, um in der Zwischenzeit alles das zu produzieren, was wir benötigen, um es mit deren Kampfkraft aufzunehmen? Die Antwort auf diese Frage lautet, dass dies höchstwahrscheinlich nicht der Fall ist.«
»Wie bitte?« Erstaunt zog Kolokoltsov die Augenbrauen zusammen. Da wagte tatsächlich jemand, die Lage
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