Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
loswerden und deren Investitionen und Eigentum verstaatlichen. Betrachtet man, welchen Beitrag diese Systeme zur Liga leisten, spielt keine Rolle, ob sie sich für die Unabhängigkeit entscheiden oder den Mantys anschließen.
Das allein ist schon schlimm genug. Aber meines Erachtens müssen wir darüber hinaus davon ausgehen, dass einige der Systeme in der Schale eine Gelegenheit wittern könnten, ihrerseits zuzuschlagen. Als vollwertige Mitglieder haben sie das Recht, jederzeit aus der Liga auszutreten, ganz nach Wunsch. Ich weiß wohl, dass bislang noch niemand von diesem Recht Gebrauch gemacht hat. Aber bislang hat sich die Liga auch noch nie mit einer Multisystem-Sternnation mit überlegener Rüstungstechnik im Krieg befunden. Es erscheint mir außerordentlich unwahrscheinlich, dass machthungrige Individuen und Systeme in der Schale übersehen, welche Möglichkeiten für sie aus dieser Lage erwachsen.
Und da es nun einmal das in der Verfassung verankerte Recht gibt, sich jederzeit von der Liga abzuspalten, lässt sich auch nicht sagen, ob nicht vielleicht sogar einige Kernwelten das ebenfalls in Erwägung ziehen. Vor allem dann nicht, wenn auf besagten Kernwelten plötzlich eine neue Steuer erhoben wird, die notwendig ist, um einen langfristigen Krieg zu führen. Diese Situation würde sich deutlich verschärfen, sollten die Mantys Offensiven starten, um unsere militärischen Kapazitäten zu schwächen. Manticore könnte auch die unterstützen, die sich mit Abspaltungsgedanken tragen, und Strafexpeditionen zu denen schicken, die nicht bereit sind, sich von der Liga zu trennen.«
Wieder schwieg der Captain einen Moment, dann zuckte er kaum merklich mit den Schultern. Es war eine Geste der Resignation, kein leichtes Abtun der Problematik.
»Mir sagen diese Schlussfolgerungen auch nicht zu, Herr Staatssekretär«, erklärte er ruhig. »Sollten sie allerdings zutreffend sein, erscheint mir wahrscheinlicher, dass wir aus einem Krieg mit Manticore als Verlierer denn als Sieger hervorgehen. Aber selbst wenn wir tatsächlich gewinnen sollten, wird die Liga am Ende der Gefechte wohl schweren Schaden genommen haben.«
Fast eine halbe Minute lang blickte Kolokoltsov den Captain schweigend an. »Ich verstehe«, sagte er schließlich. Dann gab er sich sichtlich einen Ruck.
»Ich verstehe«, wiederholte er. »Ich danke Ihnen für diese sehr umfassende und aufschlussreiche Analyse. Und ich danke Ihnen dafür, dass Sie Ihre Schlussfolgerungen derart offen vorgetragen haben, obwohl Sie es ganz offensichtlich vorgezogen hätten, nicht zu derartigen Schlussfolgerungen zu kommen. Aber wenn Sie uns jetzt entschuldigen wollten? Ich denke, Flottenadmiral Kingsford und ich haben noch einiges zu besprechen.«
»Selbstverständlich, Sir.«
Kurz nahm Captain Gweon Haltung an, nickte seinen beiden Vorgesetzten höflich zu und zog sich dann lautlos zurück.
Erneut legte sich Schweigen über das Amtszimmer. Schließlich ergriff Kolokoltsov erneut das Wort.
»Es wäre mir deutlich lieber gewesen, wenn Flottenadmiral Rajampet eine solche Analyse durchgeführt hätte, bevor er uns empfohlen hat, Unternehmen Heiliger Zorn in die Wege zu leiten«, stellte er beißend fest.
»Ich sehe mich leider außerstande, zu erklären, warum er davon Abstand genommen hat«, erwiderte Kingsford. »Es liegt mir fern, schlecht von jemandem zu sprechen, unter dem ich lange gedient habe. Trotzdem muss ich Ihnen recht geben.«
»Sie bleiben bei Ihrer Ansicht, wir hätten keine andere Wahl, als diesen Krieg fortzusetzen, auch nach allem, was Captain Gweon uns gerade erläutert hat, ja, Admiral?«
»Captain Gweon ist ein sehr kenntnisreicher Analyst, Sir. Aber er ist nicht allwissend. Und ich habe ihn nur sagen hören, wir würden den Krieg wahrscheinlich verlieren, nicht, dass wir ihn in jedem Fall verlören. Aber wenn wir es nicht einmal versuchen, wird es trotzdem, so fürchte ich, zu einem Großteil genau der katastrophalen Ereignisse kommen, die der Captain prognostiziert hat. Dann stünden wir auch nicht besser da, als wenn wir in den Krieg zögen, vielleicht sogar schlechter. Zu kämpfen gibt uns zumindest die Chance, zu gewinnen und die bis zu diesem Sieg erlittenen Verluste wieder auszugleichen. Sicherlich werden wir auch dann zahlreiche Veränderungen vornehmen und den einen oder anderen Parameter neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Aber wenigstens würde die Liga im Ganzen die Krise überstehen. Deswegen läuft es für mich auf die Frage
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