Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
wohlüberlegt.«
Sie blickte die beiden ihr unterstellten Flaggoffiziere an. Oversteegen neigte den Kopf ein wenig zur Seite und schürzte nachdenklich die Lippen. Dann nickte er.
»Drittens«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort, »und auch wenn ich weiß, dass das ein wenig sonderbar klingen wird, nachdem ich gerade eben gesagt hatte, ich wolle sie provozieren: Ich möchte sie gleichzeitig so lange wie möglich hinhalten. Wenn Baronin Medusa einen oder zwei Tage auf ›Verhandlungen‹ verschwenden kann, bevor irgendjemand tatsächlich einen Schuss abgibt, dann ist das umso besser.«
»Halten Sie das wirklich für wahrscheinlich, Ma’am?«, erkundigte sich Commander Culpepper unschlüssig. »Vor allem, wenn sie ihre eigenen Chancen überschätzt und wir sie dazu auch noch sauer machen?«
»Wenn Sie gestatten, Ma’am?«, warf Terekhov ein. Michelle nickte, und Sir Aivars blickte Oversteegens Stabschef an. »Es läuft auf Folgendes hinaus, Marty«, erklärte er. »Wie viel glaubt Crandall zu kriegen, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen? Wenn die Baronin sie davon überzeugen kann, es bestehe eine ernst zu nehmende Chance, dass sie das System einfach aufgibt, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert werden muss, dann wird Crandall höchstwahrscheinlich bereit sein, erst ein bisschen zu reden, bevor sie die Kampfhandlungen aufnimmt.
Und ich bin mir recht sicher, dass wir, wenn wir es richtig angehen, sie ziemlich ... sagen wir: verärgern können. Und das, während wir sie immer wieder daran erinnern, dass sie früher oder später ihr Handeln ihren Vorgesetzten gegenüber wird erklären müssen - ihren militärischen ebenso wie ihren zivilen Vorgesetzten. So kriegslüstern diese Crandall auch sein mag, und wie zornig wir sie auch machen können, sie muss wissen, dass es sich in den Medien deutlich besser macht, wenn sie berichten kann, sie habe ›die Situation ohne weitere Kampfhandlungen unter Kontrolle gebrachte«
»Und das wird sie umso mehr berücksichtig’n, wenn sie zu dem Schluss kommt, sie sei hier taktisch haushoch überleg’n«, setzte Oversteegen hinzu. »Das wird sie natürlich jetzt schon annehm’n. Also hätte es überhaupt keinen Sinn, sie davon überzeug’n zu wollen, sie solle doch lieber einfach beidreh’n und nach Hause zurückfahr’n, solange sie das noch kann. Das alles klingt ganz danach, als hätte der Admiral hier wirklich ’was Wichtiges angesproch’n! Wie sauer Crandall auch werd’n mag, die Chancen steh’n vermutlich verdammt gut, dass wir sie lange genug am Reden halt’n könn’n, sodass ihre Vorgesetzten - oder zumindest die Medienheinis - ihr wirklich glaub’n, sie hätte sich ernstlich bemüht, uns zur Kapitulation zu über-red’n, so wie sich das für brave kleine Neobarbaren gehört- bis sie dann schließlich gar keine andere Wahl mehr hatte, als uns alle ins Jenseits zu befördern.«
»Genau darauf hoffe ich ja, aber Marty hat wirklich nicht unrecht: Es könnte auch genauso gut in die andere Richtung umschlagen«, merkte Michelle an. »Wenn sich Crandall sicher genug ist, alles zerschmettern zu können, was man ihr entgegenschleudern mag, dann macht sie das vielleicht nur umso ungeduldiger. Vor allem, wenn sie ohnehin schon das Gefühl hatte, es sei Zeit für ein paar Strafaktionen - als Rache für das, was der Jean Bart passiert ist. Das kann durchaus schon passieren, bevor wir überhaupt anfangen, sie zu provozieren.« Grimmig blickte sie ihre Zuhörer an. »Diese Möglichkeit sollten wir wirklich nicht außer Acht lassen. Wir haben der SLN eine blutige Nase verpasst, und das in aller Öffentlichkeit. Deswegen wird Admiral Crandall uns wahrscheinlich so hart erwischen wollen, dass keine andere Neobarbaren-Navy jemals wieder wagt, unserem Beispiel zu folgen.«
»Na, prächtig«, murmelte Lecter. Michelle lachte laut auf und war selbst überrascht darüber.
»Vertrauen Sie mir, Cindy. Sollte sie tatsächlich so denken, dann steht ihr eine unliebsame Überraschung bevor. Ich würde es wirklich vorziehen, sie einfach hinzuhalten, wie ich schon gesagt habe - in der Hoffnung, die Admiralität bringt es fertig, unsere Verstärkung schneller hierher zu schaffen, sodass sie auf die sprichwörtliche letzte Sekunde hier über die Alpha-Mauer kommen. Aber ich werde mich nicht darauf verlassen. Und ich werde auch keine einzige Minute verschwenden, wenn es so aussieht, als würde Crandall es wirklich darauf ankommen lassen. Und damit kommen wir zum vierten Punkt, um
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