Hope - ein weihnachtlicher Streifzug (German Edition)
für den kommenden Morgen.
Josh verdrehte die Augen. »Hören Sie, Miss, ich sagte bereits, dass ich ...«
»Yeah, aber die Frau Doktor will sich Ihre Kleine unbedingt noch einmal ansehen.«
Josh runzelte die Stirn, plötzlich hellhörig geworden. »Wieso, ist irgendetwas ...«
»Kommen Sie einfach, mehr weiß ich auch nicht!«
Und bevor Josh etwas erwidern konnte, hatte die unhöfliche Tante aufgelegt.
Womit sich das nächste Desaster anbahnte, wobei es sich wohl eher um eine Neuauflage handelte. Er besaß kein Geld für die Behandlung, verdammt; tatsächlich würde er nicht einmal die Rechnung für die heutige bezahlen können! Was, wenn sie die Cops dorthin bestellt hatte, um ihn festnehmen zu lassen? Allein bei dem Gedanken wurde ihm hochgradig übel.
Er rief das Bild der jungen Frau in sein Gedächtnis zurück und versuchte anhand deren Aussehens zu ergründen, ob sie so weit gehen würde.
Dunkles Haar – sehr lang, im Nacken zusammengebunden. Sie hatte eine schlichte helle Bluse und Jeans getragen. Kein Make-up, braune Augen.
Mist, er wusste es nicht! Ihr Äußeres ließ gleichfalls nicht unbedingt auf die Zicke schließen, die in ihr wohnte. Wer sagte ihm denn, dass sie keine militante, raffgierige Person war, die sich nicht scheute, den Kindern kurz vor Weihnachten auch noch den Vater zu nehmen?
Andererseits hatte er Angst, dass wirklich etwas Ernsthaftes mit Alice war. Was, wenn sie noch kranker wurde und am Ende die Nieren versagten? Das war doch möglich, oder?
Verdammt!
* * *
E twas später, als David auch im Bett war, saß der junge Vater am Küchentisch, den Kopf in die Hände gestützt und sah ein, dass ihm keine andere Wahl blieb, als am nächsten Morgen noch einmal in diese Praxis zu gehen.
Vorher musste er allerdings exakt alle Fluchtwege ausloten. Außerdem hatte er sich überlegt, einfach kehrt zu machen, wenn ein Streifenwagen vor dem Gebäude parkte. Und er würde ihr sofort sagen, dass bei ihm nichts zu holen war.
Stöhnend schloss er die Augen, als er daran dachte, wie peinlich und vernichtend die Situation werden würde.
Es war nicht die Erste, das nicht. Aber er hatte gehofft, wenigstens Derartiges endlich hinter sich gelassen zu haben, nachdem er sich von seiner Berufung verabschiedet und diesen miesen Job angenommen hatte. Und wie sah es jetzt aus? Er war ein Vater, der sich nicht einmal die Behandlung seiner kranken Tochter leisten konnte.
Ging es noch niederschmetternder?
Dabei gab er doch wirklich alles! Warum wollte es denn nicht funktionieren? Maria war seit über einem Jahr tot, und er hatte sich jede erdenkliche Mühe gegeben, den Kindern die fehlende Mutter zu ersetzen. Aber das Leben schien für Josh Carter Herausforderungen bereitzuhalten, mit denen er bis vor Kurzem nicht im Traum gerechnet hätte und auf die er deshalb absolut nicht vorbereitet gewesen war.
Ein Segen, dass Alice sich nicht mehr an ihre Mom erinnerte. Er hätte mit dem ständigen Gejammer nach Maria nicht umgehen können. David dachte an sie, sagte es allerdings nicht häufig. Selten war Josh für etwas dankbarer gewesen. Er wusste sehr genau, dass sein Sohn litt, aber er konnte sie ihm nicht zurückgeben, so gern er das auch getan hätte.
Alles, was er sich einst vom Leben erhofft hatte, als er seine Frau heiratete, war inzwischen gestorben. Nicht nur der Gegenpart des jungen Ehepaares an sich.
Als Erstes starb die Liebe – das war, noch bevor Maria für immer verschwand.
Sie bemühten sich nach Kräften, doch es wollte partout nicht funktionieren. Endlose Diskussionen folgten, die Versuche, den Ursachen auf den Grund zu gehen und sie auszumerzen, es gut zu machen.
Beide arbeiteten daran, dass es funktionierte, aber ihre Bemühungen erwiesen sich bald als sinnlos.
Zu viele Differenzen, Kleinigkeiten, die bald ausnahmslos zu riesigen Auseinandersetzungen eskalierten, das ewige Gefühl der Enge – er war davon überzeugt, nicht als Einziger so empfunden zu haben. Sie brachen aus, unabhängig voneinander.
Josh flüchtete sich in seine Musik und weilte kaum mehr zu Hause.
Er hatte eine Ausrede, verdiente er doch nach dem endlosen Studium auf diese Art endlich genügend Geld für seine Familie. Was war er stolz auf seine Anstellung gewesen!
Nicht viele junge Pianisten wurden auf Anhieb in einem derart großen Orchester aufgenommen. Dass er Frau und Kinder nur noch sehr selten sah – nun, das brachte der Job so mit sich.
Maria floh gleichfalls. Sie hatte ihr Studium aufgeben müssen,
Weitere Kostenlose Bücher