Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Reise nach der Landung in Los Angeles gar nicht gut
drauf. Die Stewardess hatte dem Mann einen heißen Kaffee auf die weiße
Leinenhose gekippt und ihm als Entschädigung ein Fläschchen Rotwein aus der
ersten Klasse serviert. Gerade als er das Glas zum Probieren ansetzte, gab es
eine Turbulenz und der Wein landete gleich neben dem Kaffee auf dem edlen Stoff.
Er war überhaupt etwas tollpatschig, unser Herr Doktor, und ein Pechvogel
obendrein. Einmal vergaß er sein Toupet im Hotelzimmer, ein anderes Mal ließ er
seine Brieftasche ins Klo fallen und drückte auf den Spülknopf. Mehrfache
Versuche seitens der anderen Gäste, den Mann in die Reisegruppe zu integrieren,
schlugen fehl. Doktor Bammel, so möchte ich an dieser Stelle bemerken,
entpuppte sich als sehr eigen. Er wirkte stets hochkonzentriert und überlegte
gut, bevor er sprach. Das konnte mitunter anstrengend sein, da jede noch so
banale Unterhaltung in ein endloses Fischen nach Worten ausartete. Ein
einfacher Morgengruß wurde schnell zum tagesfüllenden Gespräch.
„Guten Morgen,
Herr Dr. Bammel.“
Pause.
„Ah - ja.“
Pause. „Auch Ihnen einen...“ Pause. „Nein, wie soll ich sagen?“ Pause. „Ich
wünsche Ihnen einen...“ Pause. „Warten Sie.“ Pause. „Einen schönen guten
Morgen.“ Pause. „Herr Tappe, meine ich.“
„Bis später
dann“.
„Ah - ja.“
Pause. „Später?“
„Naja. In
einer halben Stunde. Da treffen wir uns zur Abfahrt.“
„Ah – ja“.
Pause. „Der Bus.“ Pause. „Natürlich.“
Dr. Bammel war
etwa Mitte fünfzig und hatte drei Kinder aus erster Ehe, wie er mir erzählte.
Die waren schon alle aus dem Haus. Ein Junge, ein Mädchen und ein
Rauhaardackel. Der Junge und das Mädchen lebten in Berlin, der Dackel bei
seiner ersten Frau.
„Aha“, sagte
ich. „Dann sind Sie also zum zweiten Mal verheiratet.“
„Ah – ja.“
Pause. „Ich meine, nein“, entgegnete der Mann.
„Aber sie
sagten doch eben, der Hund lebt bei ihrer ersten Frau.“
„Ah – ja.“
Pause. „Das sagte ich.“ Pause. „Aber muss ich deshalb eine zweite Frau haben?“
Herr Doktor
Bammel verschrieb sein Leben außerhalb der Praxis seinem Hobby, der Fotografie.
Er knipste einfach alles und jeden. Auch das war mitunter anstrengend, weil er
ständig der Letzte war, der nach den Stopps wieder am Bus erschien. Ich musste
ständig ein Auge auf ihn werfen, damit er in seinem Tran nicht verloren ging.
Andererseits war ich froh, dass er sein Hobby ernst nahm. Sonst hätte er mich
sicher tagein, tagaus in endlose Gespräche verwickelt.
Es war ein
wunderbar sonniger Septembertag im Yosemite Nationalpark und ich freute mich
auf meine Mittagspause, die ich für einen kleinen Spaziergang am Ufer des Merced River nutzen wollte. Ich gab meinen Gästen nach der Ankunft im Tal die
nötigen Informationen für den Aufenthalt und machte mich auf den Weg. Das Yosemite
Valley ist eingesäumt von bis zu eintausend Meter hohen Granitwänden, die
jedes Jodlerherz höher schlagen lassen. Da ich aus Norddeutschland stamme,
genieße ich die Kulisse natürlich ganz besonders. Ich schlenderte am Fluss
entlang und setzte mich schließlich auf einen der Felsbrocken am Ufer. Mein
Blick ruhte in der Ferne und ich fragte mich, wie die alten Indianer in diesen
Gefilden wohl überlebt haben konnten. Der Gedanke, mit Pfeil und Bogen auf
Hasenjagd gehen zu müssen, gefiel mir gar nicht. Der Gedanke an eine Mahlzeit
gefiel mir dafür umso mehr. Kurzerhand beschloss ich, den Rückweg anzutreten,
um mir noch ein Lachsbrötchen in der Cafeteria der nahegelegenen Lodge zu genehmigen.
Als ich mich von dem Felsen erhob, nahm ich unmittelbar hinter mir eine
weibliche Stimme wahr.
„Schauen Sie
mal da drüben“, sagte die fremde Dame auf Englisch. „Ich glaube, da steht ein
Bär.“
Ich folgte
ihrem Fingerzeig mit meinem Blick auf die andere Uferseite. Erkennen konnte ich
zunächst jedoch nichts.
„Hier.
Versuchen Sie es mal mit meinem Fernglas.“
Ich hielt mir
das Gerät vor die Augen und stellte die Schärfe ein.
„Das ist kein
Bär“, erklärte ich der Frau lachend. „Das ist ein Mann aus meiner Reisegruppe.“
In der Tat
konnte ich Herrn Doktor Bammel ganz deutlich sehen.
„Nein. Den
meine ich nicht. Schauen Sie mal etwas weiter nach rechts.“
Ich schwenkte
das Fernglas ein paar Zentimeter in die angegebene Richtung.
„Ach, du
Scheiße! Das ist ja tatsächlich ein Bär. Ein gewaltiger sogar.“
„Ich hätte mir
nie träumen lassen, mal einen
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