Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Erhaben wirkt
das Fleckchen Erde. Es ragt wie ein lebendiges Geschichtsbuch aus dem Wasser
und zählt zu den meistbesuchten Monumenten der Westküste. Dass eines Tages mit
Kameras bewaffnete Touristen zu Hunderten durch die dicken Gemäuer des einst
sichersten Knasts der Welt wandern würden, hätten sich Al Capone und Konsorten
wohl nicht träumen lassen. Für die Häftlinge gab es damals keine 17-Uhr-Fähre
zurück in die Stadt. Für sie war Alcatraz gleichbedeutend mit Endstation. Nur
zwei Gefangenen ist je die Flucht von dort geglückt. Ob sie die Überquerung der
eiskalten Bucht überlebt haben, weiß jedoch niemand. Sie wurden nie wieder
gesehen. San Francisco wurde auf 43 Hügeln erbaut. Kein Mekka für Fußfaule,
aber ein Leckerbissen für Film- und Fernsehproduzenten, die die überaus steilen
Straßen der Westküstenmetropole immer wieder gern als Kulissen für wilde
Verfolgungsjagden verwenden. In einigen Gassen hat man an Stelle von Gehwegen
Treppenstufen gebaut, da das Gefälle ganz einfach zu steil für Fußgänger ist.
Kein Spaß für die Anwohner, die ihre Einkäufe mühsam bergauf schleppen müssen.
Ich bin ein besonderer Fan dieser Stadt, in der sich offenbar auch Gevatter
Nebel sehr heimisch fühlt. Führt die Reise in den Sommermonaten nach San
Francisco, sucht man die Golden Gate Brücke möglicherweise vergebens. Sie ist
in dieser Jahreszeit oft von hartnäckigen Nebelschwaden umgeben und mitunter
tagelang nicht zu sehen. Straßenhändler haben Hochkonjunktur, wenn verzweifelte
Touristen bergeweise Fleece-Pullover kaufen, weil sie im August mit 25 Grad im
Schatten und nicht etwa mit 8 Grad im Nieselregen gerechnet hatten. Lichtet
sich der Nebel und die Sonne kommt zum Vorschein, treibt es die Menschen in die
vielen Parkanlagen, von denen der berühmte Golden Gate Park mit 411 Hektar
Grundfläche der wohl bemerkenswerteste ist. Mit seinen Volleyballfeldern,
Radwegen und dem Golfplatz ist diese Oase ein Anziehungspunkt für jeden
Freizeitsportler. Dem Kulturbegeisterten steht eine Auswahl von Museen offen,
und der Pflanzenfreund kommt im Conservatory of Flowers , inmitten
tausender exotischer Tropengewächse, zweifellos auch auf seine Kosten. Ein
japanischer Teegarten lädt zum Träumen unter Kirschbäumen ein und in einem
eigens für sie geschaffenen Gehege weidet sogar eine Herde amerikanischer
Büffel mitten im Parkgelände. Die riesige Grünanlage ist ein wahres Paradies,
ein Zufluchtsort, nicht zuletzt für die Faulenzer und für die Kiffer, die
kichernd auf ihren Wolldecken liegen und den Tag an sich vorbei ziehen lassen.
San Francisco
ist so unamerikanisch wie eine amerikanische Großstadt nur sein kann. Hier
findet man tatsächlich noch Einkaufsviertel, deren Straßenzüge nicht von
internationalen Kettengeschäften zugepflastert sind. Kleine Boutiquen und
kreative Restaurants bestimmen den Ton. In dieser Stadt ist noch Platz für
Individualität, einem Phänomen, dem man in anderen Teilen des Landes schon
lange nicht mehr begegnet. Ich mag es, die jungen Mädchen zu beobachten, die in
langen Röcken barfuß durch die Straßen des Haight Ashbury- Viertels
tänzeln. Nur zu gern stelle ich mir dann vor, wie es wohl gewesen wäre, hätte
ich in den sechziger Jahren in einem der viktorianischen Häuser als Hippie
gelebt und mit Nachbarn wie Janice Joplin und Jerry Garcia wilde Partys
gefeiert. Süß ist auch der Gedanke, ein Häuschen im schicken Cow Hollow zu bewohnen, einem der eleganteren Wohnviertel nahe der Union Street. Hier
findet sich nicht nur interessante Architektur, sondern auch fast dörfliche
Ruhe - abseits der Menschenmassen, die sich auf den Kaufhausrolltreppen an der
belebten Market Street drängeln. Habe ich Glück und eine Reise läuft besonders
reibungslos, gönne ich mir mitunter einen freien Nachmittag in der City on the Bay . Selbst nach unzähligen Besuchen entdecke ich noch immer ganz
neue Facetten der Stadt. Wie zum Beispiel die wilden Papageien am Telegraph
Hill, mit denen ich erst kürzlich Bekanntschaft machte.
San Francisco
pulsiert und verändert sich immerzu. Sie gilt als die liberalste Stadt der USA
und dient als Wahlheimat vieler sogenannter Randgruppen. Ob Schwule und Lesben,
Tellerwäscher oder Millionäre, Kambodschaner oder Jemeniten – keiner muss sich
auf der Halbinsel isoliert fühlen. Die Weichen dafür legten schon früh die
chinesischen Einwanderer, die sich in ihrem Viertel, der Chinatown, eine eigene
Welt mitten im Amerikanismus schafften. Von
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