Hoppe
einer halben Stunde) gelangweilt auf Männer wartete, mit denen er eine weitere Runde Shuffle Board hätte spielen können, kam es wie eine Ewigkeit vor, wie sie so dastand und sich nicht rührte.«
Bis die Szene plötzlich in Bewegung gerät, sei es, »weil sie sich tatsächlich in den Raum hineinbewegte, mit vorsichtigen und irgendwie musikalischen Schritten (während die Tür hinter ihr einfach nicht zufallen will, das muss wohl der Wind sein), sei es, weil er sich plötzlich, für ihn selbst überraschend, auf sie zubewegte, wobei er sich dabei ertappte, im Begriff zu sein, sich in etwas zu verwandeln, was er schon seit Jahren nicht mehr gewesen war – in einen gealterten Kavalier, eine Rolle, die ihm über die Jahre am anderen Ende der Welt so fremd geworden war, dass er in ihr nicht mehr zu Hause war, was ihm schlagartig bewusst wurde, als er plötzlich, wie ein unbeweglicher Holzklotz, vor der jungen Frau stand, die ihn übrigens freundlich, so nachsichtig wie zerstreut, ansah und fragte: Gibt es hier was zu trinken?«
Wie sich aus
Woodcutter
unschwer herauslesen lässt, war Hans Herman Haman alles andere als ein begabter Schriftsteller, dafür allerdings, was sich aus obenstehendem Text erst auf den zweiten Blick erschließt, ein Menschenkenner und, weit mehr, ein Mann, der, mit einem unbestechlichen Blick für Qualität gesegnet, zeit seines Lebens davon Abstand nahm, seine eigenen literarischen Versuche zu veröffentlichen, während er im Gegenzug alles dafür tat, Talent zu befördern, wo immer es aufschien. Und hier »schien es auf«, wie er weiter in
Woodcutter
schreibt, wenn er davon berichtet, wie der namenlose Protagonist die Zugereiste zu einer Partie Shuffle Board überredet und »schon eine halbe Stunde später« begreift, »dass es vollkommen unmöglich war, gegen sie zu gewinnen«.
Was den Verlierer überraschenderweise mit Freude erfüllt, denn »seit Jahren wartete er im
Woodcutter
darauf, dass jemand käme, um ihn zu besiegen, nur dass keiner kam. Denn seit Jahren kamen immer dieselben Männer, in immer denselben blauen Hosen und denselben karierten Hemden, immer dieselben arbeitslosen Holzfäller, die immer dasselbe Bier tranken (aus Plastikkrügen) und mit der immer selben Gleichgültigkeit die Spielsteine über die polierte Holzbahn schoben, um immer wieder mit derselben Gleichgültigkeit zu verlieren. Und dann kommt plötzlich sie, wirft ein flüchtiges Auge auf das Spiel, nimmt einen der Spielsteine in die rechte Hand, um ihn in der linken kurz prüfend und schwenkend lächelnd zu wiegen, und schiebt ihn dann zurück in die rechte und mit der rechten, sehr lässig nebenbei aus dem Handgelenk, über die polierte Bahn, dabei etwas murmelnd, was er nicht verstand, von dem er sich aber gern einbilden wollte, es handele sich um eine Art Gebet, mit dem sie nicht nur den Spielstein, sondern das Spiel insgesamt seiner wahren Bestimmung zuführte, woraus er schloss, dass sie keine Holzfällerin, sondern eine Königin war.«
Es gibt eine andere, nicht von Haman, sondern von Hoppe verfasste Erzählung, die aus demselben Jahr stammt, ebenfalls den Titel
Holzfäller (Woodcutter)
trägt und bis heute als das schönste und treffendste Porträt H. H. Hamans gelten darf: »Er liebte Holzfäller und förderte Frauen und machte es allen Beteiligten leicht, weil er, unabhängig von Wetter oder Saison, immer denselben Anzug trug, an dem man ihn schon von weitem erkannte. Er war ein Glücksfall, den es im wirklichen Leben nicht gibt, weil er, auf magische Weise, alles in einer Person vereinte: Mann und Frau, Anzug und Wetter, Lehrstuhl und Stammtisch. Er sprach fünf Sprachen (wahrscheinlich waren es mehr/fh) und verfügte über die seltene Fähigkeit des ernsthaften Wartens auf jenen Moment, von dem man in jedem Leben ahnt, dass er nicht kommt, bis er wider Erwarten doch noch kommt. Auf genau diesen Fall, der nie eintreten wird, aber eintreten muss, war Haman weit besser als irgendwer sonst vorbereitet, denn er wusste genau, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Türhüter doch noch erschöpft und unter Verbeugung zur Seite tritt. Ein Schock natürlich, was sonst. Denn jetzt ist er wider Erwarten da. Der größte Augenblick unseres Lebens, so schön wie schrecklich, weil wir ihn zwar erwartet haben, aber weil wir ihm nicht gewachsen sind. Und wie gern ich mich plötzlich Deutsch sprechen höre, diese komische Sprache, von der ich längst glaubte, dass außer Karl und mir sie längst niemand
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