Hoppe
mehr spricht.«
Haman beherrschte das Deutsche vollkommen, soweit das im Ausland möglich ist. In seinem Haus in Eugene/ OR , 18 University Street, auch
Blue House
genannt (ein blaues Holzhaus, Cape Cod Style, mit Front- und Backporch), in dem er seine Studenten bewirtete, wurde, genau wie in seinen Seminaren, ausschließlich Deutsch gesprochen. Hier hielt er seine berühmten Vortragsabende ab, die später Legende wurden, weil er selbst niemals vortrug, sondern weil es ihm gelang, seine Studenten nicht nur dazu zu bewegen, Deutsch zu sprechen, sondern auch Deutsch zu schreiben und aus eigenen Werken vorzulesen, was weniger wissenschaftliche als literarische meinte.
»Nie wieder«, schreibt Felicitas später in einem Text mit dem Titel
Reading the West (Den Westen lesen)
, »bin ich in die Verlegenheit gekommen, so viel schlechte Lyrik auf einmal zu hören, denn es war fast ausschließlich Lyrik, was wir bei Herman zu hören bekamen. Was Lyrik betraf, war HHH hart im Nehmen, er ließ alles zu und hütete sich, jemals Kritik zu üben. Dass ich Holzfäller liebe, sagte er, heißt nicht, dass ich die Axt im Wald spiele. (Er liebte Redewendungen und Sprichwörter.) Er sprach überhaupt (auch im Unterricht) wenig (er hatte eine hohe und sehr sanfte Stimme) und ließ sich, Meister des Wartens, der er war, mit allem Zeit. In der Regel kamen wir, die einen früher, die anderen später (ich früher) von selbst drauf, dass etwas nicht stimmte, meistens stimmte so gut wie gar nichts, kein Bild, keine Metapher, kein Baum, kein Strauch. Es stimmte nicht mal der Mond, meine geliebte kanadische Naturlampe.«
Nicht nur der lyrische Mond war Felicitas verdächtig, sondern die ganze Gesellschaft insgesamt. Die Idee jedweder Form literarischer Zusammenkünfte (Lesezirkel, Werkstätten etc.) blieb ihr zeitlebens fremd. (»Man schreibt allein oder gar nicht!«) Sobald sie sich in Gesellschaft befand, war sie nicht lyrisch, sondern sportlich gestimmt, weshalb sie die abendlichen Zusammenkünfte bei HHH nicht etwa als ein Forum literarischen Austausches auffasste, sondern als eine Art fröhlichen Wettbewerbs, der sie an die Zeiten in Wallys Coliseum und an Mels Kompositionsklasse erinnerte, auch wenn HHH selbstverständlich nicht die geringste Ähnlichkeit mit Walter oder Mel besaß, sondern »auf seine eigene Art und Weise dirigierte«, was Hoppe keinesfalls entging.
Sie selbst war und blieb eine Auftragsschreiberin, die, wie HHH berichtet, »am liebsten mit der Stoppuhr in der Hand schrieb und jeden dafür verachtete, der für ein Sonett (frei nach Shakespeare) länger als fünfzehn Minuten brauchte, ein Zeitmaß, dass sie, egal um welches gesetzte Thema es sich handelte, regelmäßig unterbot. Im Übrigen trug sie ausschließlich Texte vor, die sie während der Zusammenkünfte schrieb. Alles, was sie bereits verfasst hatte oder während ihrer Jahre in Oregon verfasste (vor allem zahlreiche Kurzgeschichten), behielt sie hartnäckig für sich und folgte damit konsequent jener strikten Trennung, an die sie sich seit ihrer Kindheit gehalten hatte: Mir das Meine, dem Publikum das Seine.« Es dürfte mindestens zwei Jahre gedauert haben, wenn nicht länger, bis HHH tatsächlich die ersten literarisch ernsthaften Texte zu Gesicht bekam.
Vom Schreiben war in jenen ersten Jahren ohnehin weit weniger die Rede als davon, womit Hoppe sich an der University of Oregon ihren Lebensunterhalt verdiente, nämlich vom Deutschunterricht. So zurückhaltend, um nicht zu sagen zurückweisend sie in Sachen literarischen Austausches war, so enthusiastisch und kooperativ war sie als Lehrerin. Die einstige Klassensprecherin aus Brantford stürzte sich mit fast übergroßem Eifer in die ihr zugefallene Aufgabe. Vergessen wir dabei nicht, dass Hoppe bis zu diesem Zeitpunkt nur höchst selten Deutsch gesprochen und geschrieben hatte und, was in diesem Zusammenhang von einiger Bedeutung ist, nicht die geringsten Kenntnisse deutscher Grammatik besaß, was HHH kaum entgangen sein dürfte. Sie löste dieses Problem allerdings so schnell wie entschlossen, indem sie sich selbst zu ihrer ersten Schülerin machte und sich vor jeder Unterrichtsstunde das anstehende grammatische Kapitel beibrachte.
Dass ihr das nicht immer gelang, belegen die Erinnerungen Bojana Batons (eigentlich Secevič), Tochter über Frankreich nach Oregon eingewanderter Serben, viersprachige Studentin der Musik im Doktorat, zehn Jahre älter als Hoppe und eine ihrer besten Schülerinnen in
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