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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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ihrer kanadischen Postkarten blieben? »Hier seht ihr mich und dort meinen Vater«, so ein inflationär häufig angeführtes Zitat aus Hoppes Erzählung
Kopf und Kragen (Picknick der Friseure)
, in dem ein Vater sein Kind, wohin auch immer, entführt und unterwegs nebenbei zum Tanzbären ausbildet: »Er führt mich durch die Welt an der Kette seiner einbeinigen Abenteuer. Es riecht nach Wind und nach Wetter, die Sonne steht hoch am Himmel, und der Rucksack (sic!/fh) auf meinem Rücken ist leicht wie ein Päckchen Watte, nur mein Kopf auf dem breiten runden Kragen ist schwer wie ein Stein, der augenblicklich den Abhang hinunterrollen will.«
    Eine bündige Antwort auf die Frage, welcher ihrer Väter hier tatsächlich Modell gestanden hat, sei den biographischen Ausdeutern von Hoppes Werk vorbehalten. Tatsache ist, dass die Geschichte von
Kopf und Kragen
bereits in den späten neunziger Jahren zu einem häufig nachgedruckten und von Schülern wenig geliebten Text in deutschen Schulbüchern für die erweiterte Oberstufe avancierte. Die Fragen zum Text sind über die Jahre, ganz im Sinn einer textimmanenten Interpretation, bis heute dieselben geblieben:
    » 1 . Skizzieren Sie das Verhältnis zwischen Vater und Kind. 2 . Deuten Sie das Motiv des Rucksacks. 3 . Kommentieren Sie den hier verhandelten Welt- und Abenteuerbegriff. 4 . Setzen Sie den Text mit der Ihnen bekannten Redewendung ›Es geht um Kopf und Kragen‹ in einen sinnstiftenden Zusammenhang. 5 . Kommentieren Sie die Wettersymbolik und interpretieren Sie unter 6 . folgenden Satz auf Seite  47 : ›Nachts liege ich neben ihm unter der Decke und möchte warten, bis sein Atem so kurz wird, dass er ganz verschwindet, aber mein Schlaf ist noch kürzer.‹« (Aus:
Wort und Sinn
, 1999 )
    Durchwachte Nächte auf Grund von Kurzatmigkeit dürften durchaus den Tatsachen entsprechen. In seinem Tagebuch berichtet Karl Hoppe von in regelmäßigen Abständen wiederkehrender schwerer Bronchitis, von Nächten, in denen Felicitas buchstäblich »auf dem letzten Loch pfeift«, Anfälle, die ihn, genau wie ihre rätselhaften »Hauterscheinungen« (»rote und ganz entsetzlich juckende Flecken, nicht nur im Gesicht, sondern ausladend über den ganzen Körper verteilt«) offenbar in Unruhe versetzten, auch wenn Karl Hoppe, was die Gesundheit seiner Tochter betraf, nicht zu Panik neigte, nicht zuletzt deshalb, weil die Erscheinungen kamen und gingen und »weil sie sich durch nichts davon abhalten lässt, trotzdem wieder und wieder aufs Eis zu gehen«.
    Dass ihr Vater nie versucht hat, sie davon abzuhalten, sollte allerdings nicht gegen ihn ausgelegt werden. Er war weniger gleichgültig als rat- und hilflos und versuchte regelmäßig, wenn nicht unter der Woche, so immerhin sonntags, Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. Dass er dabei weder als Trainer noch als Geschichtenerzähler brillierte und keinen nennenswerten Hang zum Kaspertheater besaß, steht außer Frage. Dafür besaß er Qualitäten anderer Art, von denen Felicitas durchaus profitierte und die sie in höchst unterschiedlicher Weise immer wieder angeregt haben. So ist die Sonntagserfindung des Leuchtpucks, die Eberhard von der Mark später für sich in Anspruch nehmen konnte, nachweislich nicht Felicitas, sondern ihrem Vater gestohlen, der darum weit weniger Aufheben machte als seine Tochter. Es ist also Felicitas gewesen, die ihrem Vater den Diebstahl an seiner Erfindung stahl, den er in seinem späteren australischen Tagebuch ziemlich lakonisch mit folgender Notiz kommentierte: »Glückwunsch für Mark unter der Nummer  0273944 . Einmal mehr im Rückstand.«
    Glaubt man den Tagebüchern, so war Vater Hoppe spätestens seit seinem Flugzeugabsturz, »der ihn«, schreibt später die Tochter, »faktisch und praktisch aus dem Verkehr zog, weil unser Marktwert weltweit proportional zur unserer Geschwindigkeit wächst und fällt«, ständig im Rückstand, was darauf schließen lässt, dass er, genau wie seine Tochter, unter der Last unerfüllter Wünsche und unausgegorener Erfindungen litt. Während sie in der Schule war, ging der Patentagent seiner Arbeit bei
Bell Telephone Canada
nach, die ihm kaum mehr Befriedigung verschafft haben dürfte als die »leere, auf der Schulbank abgesessene Zeit« seiner Tochter. Sein Sonntagslabor glich ihrem Schreibtisch: Fluchtorte zweier Träumer, deren Träume sich, so sehr sie sich voneinander unterschieden, zu Lebzeiten nicht in klingende Münze verwandeln ließen.
     
    Welchen Raum

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