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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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den Kasten warfen, in die sie aber zuverlässig niemals Einsicht nahmen. In puncto Briefgeheimnis war die Diskretion zwischen Vater und Tochter sprichwörtlich, ihr Vertrauen ineinander so altmodisch wie grenzenlos: »Ein Brief ist ein Brief. Sobald der Umschlag geschlossen ist, gehört er seinem Empfänger.«
    Vor allem aber schrieben sie ihre Briefe auf Deutsch, so wie sie ausschließlich Deutsch miteinander sprachen, die einzige Form von Erziehungsidealismus, die Karl in Bezug auf Felicitas konsequent gepflegt haben dürfte. Erstaunlich genug, wenn man bedenkt, wie sehr Karl darauf aus war, nach vorne zu denken. Und von höchster Bedeutung in Bezug auf Hoppes Werk, die also, »wenn es wirklich drauf ankam«, in einer Art Geheimsprache schrieb, in einer Sprache, mit der sie offenbar weit mehr verband als der Ehrgeiz und die Welt ihres »Entführers« und Erfindervaters. Ein Tatbestand, den sie in der Schule hartnäckig verschwieg, wo sie neben der »viel zu einfachen englischen Sprache« spätestens nach dem vierten Schuljahr ihren ganzen Ehrgeiz in das Französische steckte und nachweislich nie ein einziges Wort Deutsch gesprochen hat.
    Während Felicitas die berühmten Briefe und Postkarten an ihre deutschen Eltern und Geschwister schreibt, die ihre Empfänger niemals erreichen und sämtlich wie ein Bumerang zu ihr zurückkehren, gehen die Briefe des jungen Patentagenten an eine ferne Klavierlehrerin ebenso ins Leere. Maria antwortet auf die Briefe ihres Mannes genauso selten wie auf die Briefe ihrer Tochter, die sich innerhalb kürzester Zeit entschlossen auf den Ersatzschriftverkehr mit ihrer Hamelner Familie verlegt. Dass Karl dagegen das Schreiben an seine längst geschiedene Frau nicht aufgibt, ist weniger seinem Herzen als seinem Ordnungssinn geschuldet, der ihn knapp zwei Jahrzehnte lang dazu anhält, regelmäßig protokollarisch über die Erziehung seiner Tochter Rechenschaft abzulegen. Offenbar dienten die Briefe dazu, mit sich selbst ins Reine zu kommen und sich über die Schwierigkeiten mit der gemeinsamen Tochter (die längst weder eine gemeinsame noch seine alleinige war) auseinanderzusetzen.
    Die Tatsache, dass er von seinen Briefen gewissenhaft Durchschläge (später Kopien) anfertigte, erlaubt detaillierte Einblicke in das Verhältnis zu Felicitas und in die Pläne, die er mit ihr hatte: »Kommt halbwegs mit in der Schule. Schöne Handschrift (manchmal über die Ränder hinaus). Müheloses Lesen, Schreiben und Rechnen. Deutliche Schwächen in Landeskunde, Geographie und Geschichte (mangelnde Neigung zum Auswendiglernen). Souverän in den Naturwissenschaften und in der Mathematik (kann buchstäblich alles nach x auflösen). Wenig Neigung zum Malen und Zeichnen (kommt selten über Entwürfe hinaus). Erfindungsgeist (zur Durchführung fehlt es an Präzision). Insgesamt Mangel an Ausdauer. Musikalisches Talent. Motorisch ausgezeichnet.«
    Karls Listen lesen sich bei näherem Hinsehen weniger als großangelegtes Erziehungsprogramm, sondern vielmehr als der unbeholfene und gelegentlich rührende Versuch, der vagen Vorstellung dessen, was er für seinen Erziehungsauftrag hielt, eine greifbare Form zu geben. Allerdings bleibt das von ihm selbst aufgestellte Programm eine Handlungsanweisung ohne nachweisbare Handlung. Bei allem Hang zur Buchhaltung war Karl Hoppe ein so naiver wie vorurteilsloser Vater, der von seinem Kind ganz offenkundig überfordert war, ohne sich dessen bewusst zu sein. Was Lebensentwürfe und die Förderung seiner Tochter betraf, war und blieb er ein Bastler und Enthusiast. Erinnern wir uns daran, dass er es war, der ihr die erste Maske baute (»damit sie nicht endet wie Sawchuk«), der ihre geliehenen Schlittschuhe weitete (»mit Hilfe des elektrischen Schuhspanners an Seiten und Fersen gedehnt, halten sie durchaus noch einen zweiten Winter«), der in seinem Labor, das zugleich seine »Werkstatt für alles« war, jene brüchigen Eishockeyschläger zimmerte, die Felicitas den Spott ihrer Teamkameraden einbrachten, und der ihr zu Beginn jedes neuen Schuljahres einen neuen Rucksack nähte, »mit dem ich mich immer wieder von vorn blamiere«.
    »Vermutlich«, schreibt Felicitas Jahrzehnte später, »war sein Problem, dass er so geizig wie ehrgeizig war und dass beides auf gar nichts gerichtet war, weil er, was er nie zugeben wollte, keinen Plan hatte, nichts, worauf sich zu sparen lohnte. Er wusste einfach nichts mit mir anzufangen, nicht auf dem Eis und nicht am Klavier. Ich war, wie

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