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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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»Ich bin Häsi, das Hasenkind. Ich habe keine Geschwister mehr.« Die durch die entschiedene Liquidation der Geschwister auf die Vater-Mutter-Kind-Konstellation reduzierte Familie wird in der nun folgenden Geschichte von dramatischen Schicksalen heimgesucht. Eine Nacherzählung erübrigt sich, bereits die Kapitelüberschriften fassen die Geschehnisse bündig zusammen:
Der Wald
,
Der böse Fuchs
,
Ein schlimmes Ereignis
,
Das neue Heim
,
Endlich erlöst
,
Neue Freunde
und
Endlich in Frieden
betiteln treffend die kurze Strecke, die die Autorin so sprachlich schwungvoll wie erzählerisch ungeduldig hinter sich bringt. Am Ende heißt es lakonisch: »Nun lebten wir wie früher, nur dass es ein anderer Wald war, in dem wir neue Freunde gefunden hatten.«
     
    Neue Freunde sind auf Kinderwunschlisten bekanntlich nicht die Ausnahme, sondern die Regel, ein schmerzhaftes Dauerthema, das in Hoppes Werk, noch Jahrzehnte später, verlässlich in immer neuen Varianten auftaucht. Verlust und Abschied, Vertreibung, Aufbruch, Ankunft und Hoffnung, wieder Verlust und immer wieder der Wunsch, Familien glücklich zusammenzuführen. Müßig, darauf hinzuweisen, dass weder Wünsche noch Verlusterfahrungen bündige Texte ergeben und dass darüber nur schreiben kann, wer dramatische Kippmomente nicht nur am eigenen Leib erfährt, sondern, darüber hinaus, tatsächlich in der Lage ist, sie sprachlich neu zu erfinden.
    »Ein Autor«, schreibt der ausgewiesene Hoppekenner Richard Wagner in seinem 2004 veröffentlichten Essay
Idylle und Drama
, »ist nicht deshalb ein Autor, weil er ein Schicksal hat, sondern einzig und allein deshalb, weil er schreiben kann und schreibend Schicksale autorisiert. Talent und Erkenntnis sind nicht an Orte, Zeiten und Biographien gebunden. Auch wenn das Publikum, das auf so vieles hereinfällt, genau daran allzu gern glauben würde. Die vermeintliche Idyllenautorin Felicitas Hoppe wäre zweifellos weder eine bessere noch eine schlechtere Autorin, wenn sie ein anderes Schicksal hätte. Würden wir sie tatsächlich lieber lesen, wenn sie keine Hamelner, sondern, sagen wir, eine eiskalte sibirische Kindheit hätte? Gut möglich – nur dass Mängel und Qualität ihres Werkes davon vollkommen unberührt blieben.«
    Genau wie Strat und seine Kollegen wusste auch Wagner, ein entschiedener Gegner des »so modischen wie unproduktiven Wettbewerbs in Sachen Schicksal«, nichts davon, dass sie ihre frühen Jahre nicht an der Weser, sondern in einer ganz anderen Landschaft verbrachte, in der sie sich in erster Linie nicht aufs Schreiben, sondern auf ganz andere Spielfelder verlegte, auf denen sie zwar nachweislich scheiterte, aber trotzdem hartnäckig weiterkämpfte. Neben der Schule zählte einzig der Sport, er war, jedenfalls kurzfristig, »das wirkliche Leben«. Einzig und allein der Eisring war jener Ort, an dem sich Leistungen sichtbar machen und nachweislich verbuchen ließen, er war die Arena ihres frühen kindlichen Ehrgeizes, der Schauplatz ihrer ersten großen Erfolge und ihrer ersten schmerzhaften Misserfolge.
    Scheinbares Paradox: Der Sonntagserfinderin, die sich während ihrer späteren Laufbahn als deutsche Schriftstellerin immer wieder nachdrücklich als Stubenhockerin stilisierte und angeblich nichts weniger mochte als frische Luft (»Meine Mutter musste mich zum Spielen tragen!«), war das Team hoch und heilig, die Familie unentbehrlich, der Mitstreiter und Wahlbruder Wayne nicht nur erste Liebe, sondern höchstes Vorbild, und die Trainer, erst Walter und später Bamie, kleine Götter, für die sie »klaglos bei Wind und Wetter« spielte.
    Bei allem behaupteten Widerspruchsgeist einer Einzelgängerin, die auf nichts mehr Wert legte als darauf, allein in der Landschaft zu stehen, wollte Felicitas gefallen, dazugehören, eine Rolle spielen, ihren Part übernehmen, dabei ständig verblüffen und überraschen. Falls sie wirklich eine Stubenhockerin war, dann jedenfalls eine, die in ihrer Stube von Öffentlichkeit und Wettbewerb nicht nur träumte, sondern dafür auch den entsprechenden Einsatz erbrachte. Sie wollte, wie sie selbst einmal sagte, »groß, schön und tüchtig sein«.
    »Beim Training in Dad’s (Wally’s/fh) Coliseum«, erinnert sich Waynes Schwester Kim, »war sie grundsätzlich die Erste. Während wir andauernd versuchten, uns unter dem Kommando unseres Vaters wegzuducken und mit Hilfe unserer Mutter das Sonntagsfrühstück in die Länge zu ziehen, stand sie längst draußen im Ring und

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