Hoppe
Alexander Bell, jenem »ersten und einzigen Erfinder der Gebärdensprache« eingegangen war. Schon früh war ihr bewusst, dass Sprache nicht alles ist, weil »die Karten insgesamt irgendwie schlecht verteilt sind«, auch in Brantford gab es blinde und taubstumme Kinder und jenen »beinlosen Mann, der neben unserem Schulhoftor saß und, sich dabei auf dem Akkordeon begleitend, entsetzlich traurige Lieder sang, in der Hoffnung, wir würden stehen bleiben, nicht um ihm zuzuhören, sondern um ihm Geld in den Hut zu werfen«.
Es ist also keineswegs abwegig anzunehmen, dass diese Erfahrungen sich auch in ihren späteren Texten niederschlugen. In ihrer Geschichte
Not und Tugend
(
Picknick der Friseure
) lesen wir: »Ob unsere Mutter uns liebte? Ja, unsere Mutter liebte uns, sie gab uns erst Milch und später Kakao und wechselte auch die Straßenseite, wenn wir an der städtischen Anstalt vorbeikamen. Kinder mit riesigen Köpfen und Armen wie Paddel brüllten und warfen zum Gruß die Beine in die Luft, die aussahen wie Stelzen. Das ist der Zoo, und dort sind die Affen, sagte unsere Mutter und drehte uns die Köpfe scharf auf die Seite, so dass wir fast in die Schaufenster fielen.«
Es ist nicht die einzige Stelle im Text, die sich deutlich auf jene bezieht, die niemals nützliche Mitglieder einer Gesellschaft werden können. Nicht nur Martha, auch Bamie fiel neben Felicitas’ Kommunikationsversessenheit ihr über die Maßen ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden auf, das, so Bamie, »manchmal ziemlich seltsame Blüten trieb. Bei allem Kampfgeist – für ein Tor hätte sie so ziemlich alles gegeben – bekam sie manchmal, ganz unvermutet, plötzliche Anfälle von, ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll, sagen wir mal von Ausgleichswahn. Als wäre es ihr auf einmal peinlich, andauernd Tore zu machen oder drei Spiele hintereinander zu gewinnen. Dann konnte es tatsächlich passieren, dass sie die schönsten Chancen verpatzte, vor dem Tor abdrehte, einen Pass verweigerte, plötzlich unvermutet stehen blieb, wobei sie eine komische Figur machte, irgendwie gequält, weil sie genau wusste, was ich auch wusste, nämlich, dass sie das alles mit Absicht machte, was fast einer Art von Boykott gleichkam. Manchmal habe ich sie deswegen später zur Rede gestellt, und dann gab sie sich immer sehr zerknirscht, aber trotzdem wurde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass sie glaubte, immer im Recht zu sein. Das Einzige, womit ich sie kriegen konnte, weil ich sie damit nicht nur bei ihrer Ehre erwischte, sondern weil das ein bisschen tiefer ging, war, wenn ich sagte: ›Hör mal, Wayne wäre das nicht passiert!‹« Ein Satz, den Hoppe niemals vergessen sollte und mit dem folgendem Kommentar in ihrem Merkheft notierte: »Volltreffer für BB ! Hohe Schule des Scheiterns in einem Satz. Aus mir wird niemals ein Goaly.«
Vermutlich hat sie den Wayne’schen Merksatz, lässiges Einbringen höchster Leistung, gelegentlich auch auf der
Adelheid
zum Einsatz gebracht, spätestens, als sie kurz vor der Durchquerung des Panamakanals aus reiner Langeweile auf die Idee verfallen sein soll, die Mannschaftsmitglieder auf das kanadische Eishockeyspiel einzuschwören, wobei ihr offenbar nicht bewusst war, dass sie sich mitten im Kalten Krieg befand, weshalb die Russen und Polen, schon untereinander ständig auf Kriegsfuß, wenig Sinn dafür zeigten, Hoppes imaginierter kanadischer Privatmannschaft zum Sieg zu verhelfen.
Der Erste Offizier (ein gewisser Kramer) erinnert sich noch zehn Jahre später daran, wie Felicitas mehrere Abende lang in der Mannschaftsmesse damit beschäftigt war, Spieler zu rekrutieren: »Sie stand auf der Schwelle zur Küche und riss plötzlich, wie ein Dirigent, beide Arme nach oben, um dann überraschend den rechten sinken zu lassen, den Zeigefinger auszufahren und, auf eine Reihe von Matrosen deutend, in einer Art Befehlston zu rufen: Vier mal zwei: die Verteidigungsreihen! Und: Vier mal drei: die Sturmreihen!«, wobei die Sturmreihen, wie Kramer berichtet, wesentlich beliebter gewesen seien als die Reihen der Verteidigung.
Danach, so Kramer, sei sie mit großer Entschiedenheit zum Erklären der Regeln übergegangen, wobei sie einen geradezu missionarischen Eifer gezeigt habe, der die Mannschaft erst erheitert, dann aber ermüdet habe, schnell hätten die Matrosen deutlich gemacht, dass sie das kanadische Hockeyspiel nicht im Geringsten interessiere. Bandy (ein Vorläufer des heutigen Eishockeys/fh) sei, behaupteten
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