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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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seinen Teamkameraden (schmale Gliedmaßen, höchste Biegsamkeit), »the solemn squirrel« (»das feierliche Eichhörnchen«) einer Beschreibung des kanadischen Radiomoderators Peter Gzowski folgend.)
    Dieses Bild dürfte vermutlich kaum jenen Wayne zeigen, der im November 1974 längst keine Zeit mehr hatte, seine ehemalige Spielkameradin Felicitas zum Bahnhof zu bringen, »weil er bereits in einem dieser Busse unterwegs in den Kampf saß«. Ein Abschiedsgeschenk gab es trotzdem, jenes legendäre Trikot mit der ebenso legendären Nummer  99 , das Felicitas noch Jahre später trug, auch als sie längst herausgewachsen war, obwohl Wayne, ganz Praktiker, es nachweislich »auf Zuwachs« gekauft hatte.
    Noch prägender als der Abschied von Wayne dürfte der Abschied von Phyllis gewesen sein. In keinem ihrer während der Seereise nach Australien verfassten zahlreichen Briefe gibt es einen einzigen Hinweis darauf, die Erinnerung an Phyllis sei, wie etwa die an Lucy oder Martha, jemals verblasst oder schattenhaft geworden, von einem Verschwinden »der besten Stiefmutter von allen« ganz zu schweigen. Der Grund liegt auf der Hand: »Besonders bei hohem Seegang vermisse ich Phyllis, weil sie die Einzige ist, die auch zwischen New York und Adelaide niemals vergessen würde, was es mit dem Rattenfänger auf sich hat, was es bedeutet, entführt zu werden und seine Heimat zu vermissen. Immer wieder hat sie nach Euch gefragt. Ich erinnere mich noch genau daran, wie wir am letzten Sonntag vor unserer Abreise zusammen in Walters Garage sitzen, zwischen den Regalen voller Trophäen. Wir rauchen die letzte Zigarette, da fragt sie mich plötzlich: Raucht deine Mutter eigentlich auch? Und ich sage, dass unsere Mutter nicht raucht, dafür unser Vater, aber nur nach Feierabend, und dass unsere Mutter trotzdem immer Zigaretten bei sich hat, eine ganze Schachtel, immer voll, für den Fall, dass einer vorbeikommt, der keine hat, aber welche braucht. Streichhölzer hat sie natürlich auch. Und Phyllis sagte: Gut zu wissen!«
    Sicher ist, dass Phyllis nicht nur in den kanadischen Jahren die Einzige war, die neben der Geschichte vom Rattenfänger auch Hoppes Hamelner Familie beim Wort nahm, auch wenn sich das faktisch nicht nachweisen lässt, da Phyllis weder Tagebuch führte noch Briefe schrieb. Aber immer wieder erwähnt Felicitas in ihren Briefen, auch Phyllis lasse schön grüßen, »und zwar Euch alle« (niemand aus der Gretzkyfamilie, auch nicht Wayne, lässt in ihren Briefen sonst jemals grüßen), »sie kennt Euch nämlich längst alle beim Namen, sie weiß sogar, wann Ihr Geburtstag habt«.
    Das dürfte übertrieben sein, Phyllis hatte vermutlich genug damit zu tun, sich die Geburtstage ihrer eigenen Kinder zu merken, auch wenn Waynes Schwester Kim in einem späteren Interview darauf hinweist, sie könne sich noch gut daran erinnern, wie Phyllis an bestimmten Tagen Kuchen auf den Tisch gestellt habe, »obwohl es doch gar keinen Anlass gab«. Außerdem habe sie mit Fly über Leute geredet, von denen sie (Kim) keine Ahnung gehabt habe, was ihr gelegentlich einen Stich versetzt habe, später habe sie das dann aber wieder vergessen.
    Felicitas dagegen vergaß nichts und niemanden: weder Lucy noch Martha, auch nicht Bamie, von den Gretzkys ganz zu schweigen. Glaubt man den
Briefen an vier deutsche Geschwister
zwischen New York und Adelaide, war ihr unterwegs nichts wichtiger, als die Matrosen (in der Mehrzahl Russen und Polen) davon zu überzeugen, Toronto sei tausendmal schöner als New York, schöner als alles sei aber »das herrliche Brantford«, was die Mannschaft mit Gelächter quittierte – niemand war jemals in Brantford gewesen. »Auch von unserem großen AGB (Alexander Graham Bell/fh) hat keiner der Männer jemals etwas gehört«, schreibt Felicitas, »Seeleute sind ungebildet, sie wissen nicht einmal, wohin sie fahren. Woher sie kommen, wissen sie auch nicht.«
     
    Man darf sich die Reise vermutlich insgesamt als recht merkwürdig vorstellen: Die knapp vierzehnjährige Felicitas geht in einer eigens von ihrem Vater angefertigten Reisekleidung, einem angeblich wasserdichten Overall (der Felicitas’ Traum vom Rattenkostüm ziemlich nahegekommen sein dürfte), zwischen den Matrosen auf und ab und präsentiert nebenbei Waynes Bild (das Bild eines zehnjährigen Kindes) als das Konterfei »meines ersten Verlobten«, was mit Sicherheit für Unterhaltung sorgte. »Felicitas hat eindeutig zu viel Anschluss«, notiert der Patentagent. In

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