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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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Auftritte betraf, war sie völlig furchtlos, um nicht zu sagen skrupellos, sie trieb einen regelrechten Handel damit (Libretti en gros), übrigens zu günstigen Preisen, sie war in jeder Hinsicht großzügig und verschwenderisch, dabei erstaunlich zuverlässig. Ihr Spezialgebiet waren musikalische Hochzeitszeitungen und spontan vertonte Hochzeitstorten, aber auch sonst gab es kaum ein Thema, vor dem sie zurückgeschreckt wäre, ihre Phantasie vertextete erbarmungslos alles. Für kleinere Auftragswerke brauchte sie in der Regel nicht länger als ein Wochenende. Allerdings arbeitete sie nur unter einer Bedingung – dem Stoff ihre eigene Wendung zu geben. Eine Handschrift, die lesbar und deutlich war, die Botschaft war immer dieselbe: kein Hoppewerk ohne Happy Ending!
    Sie blieben von Natur aus geschiedene Geister, zwei natürliche Feinde: Hoppe und Drugs. Wobei Felicitas den Kürzeren zog, sie war die Schülerin, Drugs der Meister. Was die beiden trotzdem verband, war ihr Hang zu gewissen Stoffen. Beide hatten eine Vorliebe für Königsgeschichten und Räuberpistolen, für Drama und Pathos, nur verfuhren sie damit auf höchst unterschiedliche Weise. Während Felicitas alles ins Märchenhafte zog (›You are so goddamn fairytalish!‹/›Du bist und bleibst eine Märchentante!‹), in magische Räume möglicher Rettung, war Mels Programm durch und durch rettungslos, er war ein so verspäteter wie begeisterter Darwinist (vgl. hierzu Hoppes 1983 verfasste Ballade
Darwin’s Christmas Goose
/
Die Darwinsgans
), drastisch und naturalistisch, je grausamer, desto besser, man soll auch auf der Bühne sehen, sagte er, wie die menschlichen Dinge liegen angesichts der Gefräßigkeit der Natur. Jedenfalls gab es bei Mel nichts zu lachen, während Felicitas andauernd lachte, nicht, weil sie was zu lachen hatte, sondern weil sie auf Erleichterung aus war, besser gesagt auf Erlösung.
    Ein Bedürfnis, das Drugs vollkommen fremd war, er stand auf gefesselte Existenzen, auf Schicksale, die sich nur durch den kühnen Sprung ins Nichts zum Nichts hin befreien. Seine berühmte Oper
Crocodiles (Krokodile)
ist ein prominentes Beispiel dafür, eine mörderische Szene jagt die nächste. Schüler, die er nicht mochte, ließ er mit Vorliebe einzelne und besonders komplizierte Stimmen aus seinem
Opferchoral
vorsingen, eine schlechte Parodie der Matthäuspassion. Seine Abneigung gegen Kirchenmusik war bekannt. Bach bezeichnete er als ›Kreuzigungskomponist‹, als ›den größten Meister der Tröstung durch Täuschung‹. Er selbst gab sich betont nihilistisch, verehrte dabei Wagner auf fast okkulte Weise, weshalb Felicitas ihn gern darauf hinwies, dass, bei aller Schwäche in ihrer Musik, immerhin ihre Libretti um Längen besser als die Wagner’schen seien. Was Mel seinerseits mit dem Hinweis parierte, dass Wagner ausschließlich begreifen könne, in wessen Adern ein Tropfen deutschen Blutes fließe.
    Was Melville dabei nicht in die Waagschale warf, weil er kein Ohr dafür hatte, war Felicitas’ Mehrsprachigkeit, die er, für einen Musiker ungewöhnlich, gar nicht bemerkte. Zwar berief er sich ständig auf eine verschollene deutsche Großmutter (mütterlicherseits), aber er selbst sprach kein Deutsch, er sprach es nur aus (ziemlich schlecht übrigens), und nur dann, wenn es um deutsche Opern ging. Felicitas dagegen schrieb ihre Libretti auf Englisch, ließ aber hier und da leichtfertig deutsche Brocken einfließen und entwickelte im Laufe der Jahre eine höchst eigenwillige deutsch-englische Reimtechnik (›Get up and out, here comes the Braut. And hört the bird!‹/aus:
Die Hochzeit der Tiere
/ 1987 /fh), was er ebenfalls nicht zur Kenntnis nahm.
    Immer wieder kam es in Mels Kompositionsklasse zu Zusammenstößen, weil Felicitas die eigenwillige Angewohnheit hatte, Kompositionsprinzipien auf überraschende Weise aus völlig fachfremden Bereichen abzuleiten. In einem Referat über
Die Pause (The Art of Pause)
sprach sie, zur Überraschung aller Anwesenden, eine geschlagene Stunde lang nicht über Musik, sondern über Eishockey und über die höchst seltene Fähigkeit zur ›Ausdehnung des Moments‹ (›Extending the moment‹), das Einzige, was den Puck ins Tor und die Kunst zum Erfolg bringe. Um mit der apodiktischen Äußerung zu enden: ›Leider etwas, worüber man zwar sprechen, was man aber nicht lernen kann, schon gar nicht, wenn man nicht das absolute Gehör hat.‹
    Sie hatte es, er hatte es nicht. Was Opern und das Theater

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