Hordubal (German Edition)
wärmen.«
Hordubals Stirn ist in Schweiß gebadet, er fühlt sich schwach und behaglich. »Oh, ich könnte so viel von Amerika erzählen, Mischa«, sagt er. »Vieles hab' ich schon vergessen, aber warte, es wird mir wieder einfallen –«
Mischa facht still das Feuer an; Hordubal atmet heftig und plärrt aus dem Schlaf. Draußen hört der Regen auf, nur von den Fichten hinter der Hütte fallen schwere Tropfen; aber die Nebelschwaden wälzen sich weiter. Hin und wieder brüllt ein Ochse, und Tschuvaj rennt nachzusehen, ob die Herde beisammen ist.
Mischa spürt etwas im Rücken, es sind Hordubals Augen; Juraj ist schon eine Weile wieder wach und blickt aus eingefallenen Augen.
»Mischa«, röchelt er, »sag, darf sich der Mensch selbst das Leben nehmen?«
»Was?«
»Ob sich der Mensch das Leben nehmen darf?«
»Wozu das?«
»Damit er den Gedanken entgeht. Es gibt solche Gedanken, Mischa, die – gehören nicht in einen hinein. Da denkst du ... nehmen wir an ... daß sie gelogen hat, daß sie nicht bei der Nachbarin gewesen ist ...« Jurajs Mund ist ganz verzerrt. »Mischa«, keucht er, »wie soll ich mich davon befreien?«
Mischa blinzelt grübelnd. »Ah, eine schwere Sache. Du mußt eben bis ans Ende denken.«
»Und wenn am Ende ... nur das Ende ist, was dann? Darf man dann selber ein Ende machen?«
»Nicht nötig«, sagt Mischa langsam. »Wozu das? Stirbst auch so.«
»Und – bald?«
»Wenn du's wissen willst – bald.«
Mischa hat sich erhoben und verläßt die Hütte. »Und schlaf jetzt«, wendet er sich in der Tür zurück und verschwindet – wie in den Wolken.
Hordubal versucht aufzustehn. Gottlob, es geht schon besser, nur der Kopf dreht sich noch und der Körper ist so sonderbar schlaff, wie ein Fetzen.
Juraj taumelt hinaus, in den Nebel; man sieht nichts, nur das Läuten der Herden ist zu hören. Tausende Ochsen weiden in den Wolken und machen bim-bam mit den Glöckchen. Juraj geht, geht, und weiß nicht recht, wohin; ich soll doch nach Hause gehn, denkt er, und darum muß er gehen. Er weiß nicht, ob er aufwärts oder abwärts geht; vielleicht abwärts, weil er – gleichsam fällt; vielleicht immer bergauf weil er so mühsam geht und schwer atmet. Ah, einerlei, nur nach Hause. Und Juraj Hordubal taucht im Gewölk unter.
XXIV
Hafia fand ihn im Stall. Die Kühe waren unruhig und Polana schickte sie, geh, sieh dort nach. Er lag im Stroh und röchelte.
Und wendete nichts mehr ein, als ihn Polana in die Stube führte, versuchte nur die Augenbrauen hochzuziehen. Sie entkleidete ihn und schaffte ihn ins Bett.
»Willst du etwas?«
»Nein«, stammelte er und wollte nur wieder schlafen; er hat etwas geträumt und sie haben ihn aufgestört – was war's doch bloß? Geritsch war doch nicht in Amerika, sie haben alles verwirrt, jetzt muß man's wieder ganz von vorn beginnen. Wenn bloß dieser Druck auf der Brust nicht wäre, das ist wohl das Hündchen Tschuvaj, hat sich mir auf die Brust gelegt und schläft. Juraj streichelt mit unruhiger Hand seine behaarte Brust: schlaf nur, du zottiger Bursche, und wie dein Herzchen schlägt. Ach, du Luder, wie schwer bist du doch.
Eine Weile hatte er geschlafen, und als er die Augen öffnete, stand Polana in der Tür und sah prüfend herüber. »Wie geht es dir?«
»Besser, Herzchen.« Er fürchtete sich, zu sprechen, damit es nicht verschwinde, damit es sich nicht wieder in sein Kämmerchen verwandle, dort in Johnstown. Hier ist es ja – wie zu Hause: der bemalte Schrank, der Eichentisch, die Eichenstühle, – Hordubals Herz hämmert: ich bin ja endlich heimgekehrt. Herrgott, diese lange Reise, vierzehn Tage im lowerdeck und im Zug – wie zerschlagen ist man. Aber rühren darf man sich nicht, sonst verschwindet es wieder: lieber die Augen schließen und wissen, daß es da ist –.
Und dann begann sich wiederum alles zu verwirren: die miner in Johnstown, man schlägt Hordubal; Juraj flüchtet durch den Stollen, kreuz und quer, faßt die Grubenleiter und klettert den Schacht empor; und von oben fliegt ein Förderkorb, der wird ihm den Kopf zerschmettern, ganz bestimmt, und Hordubal erwacht durch sein eigenes Aufstöhnen. Lieber nicht schlafen, hier ist es besser; mit starren Blicken klammert sich Juraj an die friedlichen Möbel. Hier ist es besser Hordubal zeichnet mit dem Finger in der Luft und erzählt Mischa von Amerika. Bruder, mich immer nur zu den schwersten Arbeiten, nur hallo, Hordubal, und schon bin ich gegangen. Einmal war ein Stollen
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