Hornblower 01 - Fähnrich zur See Hornblower
Fläche sogleich richtig festsaugte. Sie zeigte nämlich über dem Leck eine Höhlung nach innen, die sich alsbald noch weiter vertiefte, so daß er sicher sein konnte, daß das Leck in der Bordwand nunmehr wirksam verstopft war. Auf seinen Zuruf holten sie ihn wieder an Deck und warteten auf seine Befehle, er aber stand nackt und ganz dumm vor Kälte und Müdigkeit vor ihnen und kämpfte um seinen nächsten Entschluß.
»Legen Sie das Schiff wieder auf Backbord-Bug«, brachte er endlich heraus.
Als er sich wieder angezogen hatte, erwartete ihn Matthews mit recht besorgter Miene. »Verzeihung, Sir«, sagte er, »aber die Geschichte will mir nicht mehr gefallen. Ganz ehrlich gesagt, sie gefällt mir gar nicht. So wie sich das Schiff jetzt benimmt, ich sage Ihnen, Sir, da stimmt etwas nicht. Es sackt schon immer tiefer und bricht uns zuletzt noch vollends auseinander. Für mich ist das eine ausgemachte Sache. Entschuldigen Sie, Sir, daß ich das so herausgesagt habe.«
Unter Deck hatte Hornblower zur Genüge gehört, wie der Rumpf des Schiffes unausgesetzt ächzte und stöhnte, hier an Deck klafften die Nähte immer weiter. Der quellende Reis hatte bestimmt auch die Nähte der Bordwand auseinandergetrieben, dann strömte jetzt immer noch Wasser ein, das die Ladung weiter aufquellen ließ, bis das Schiff vollends in Stücke ging.
»Schauen Sie, dort, Sir!« rief Matthews plötzlich.
Mitten am hellen Tag huschte ein kleiner grauer Schatten den Luv-Wassergang entlang, ein zweiter folgte und dann ein dritter.
Ratten! Eine Panik mußte sie aus ihrem Versteck unten im Raum vertrieben haben, sonst hätten sie sich niemals am hellen Tag an Deck gewagt. Wieder fühlte Hornblower einen schwachen Ruck unter den Füßen, der ihm verriet, daß unter ihm neuerdings etwas gebrochen war. Aber er hatte immer noch eine Karte auszuspielen, die letzte Verteidigungslinie war noch nicht bezogen.
»Ich will die Ladung werfen«, sagte Hornblower. Er hatte dieses Wort noch nie im Leben ausgesprochen, aber es war ihm von seiner Lektüre her geläufig. »Hol die Gefangenen heraus, wir wollen sofort damit beginnen.«
Die geschalkten Lukendeckel hatten sich schon seltsam und verräterisch nach oben gewölbt. Als jetzt die Keile herausgeschlagen wurden, riß sich das eine Ende einer Planke sofort krachend los und zeigte schräg nach oben, und während die Männer die übrigen Deckel abhoben, drängte gleich ein braunes Etwas nach; es war ein Sack Reis, der durch den Druck von unten emporgetrieben wurde, bis er in der Luke festsaß.
»An die Taljen! Hievt das Zeug heraus!« befahl Hornblower.
Sack um Sack wurde der Reis aus dem Laderaum geholt, manchmal platzte einer, dann ergoß sich der Reis in Strömen an Deck, aber das machte nichts aus. Eine zweite Gruppe schaffte Reis und Säcke nach Lee und hievte sie dort über die Reling in den unersättlichen Schlund der Tiefe. Schon nach den ersten drei Säcken begannen die Schwierigkeiten. Die Ladung war nämlich so ineinander verklemmt, daß es nur mit größtem Kraftaufwand gelang, so einen Sack aus seiner Lage zu wuchten. Zwei Mann mußten in die Ladeluke hinunter, um die Säcke loszubrechen und die Stroppen darumzulegen. Stunde um Stunde verging so bei härtester Arbeit, die Männer an den Taljen waren in Schweiß gebadet und wankten vor Müdigkeit, dennoch mußten sie von Zeit zu Zeit im Raum mit Hand anlegen, denn die Säcke hatten sich in ganzen Lagen verklemmt und saßen zwischen dem Schiffsboden unten und den Decksbalken oben unverrückbar fest. Als die Partie unter der Luke glücklich herausgehievt war, mußten schon die nächsten Säcke Lage um Lage mühsam herausgebrochen werden. Allmählich war im unmittelbaren Bereich der Luke doch etwas Raum geschaffen, so daß man endlich weiter in die Tiefe dringen konnte. Dort kam denn auch bald das längst Erwartete zum Vorschein. Die unteren Sacklagen waren naß geworden, ihr Inhalt war dadurch aufgequollen und hatte die Säcke gesprengt. Die ganze untere Hälfte des Laderaums war mit einer festgepreßten Masse feuchten Reises angefüllt, die man nur mit Schaufeln und Fässern herausbekommen konnte.
Hornblower war so in seine Probleme vertieft, daß er erst auf Matthews aufmerksam wurde, als ihm dieser am Ärmel zupfte.
Er merkte denn auch sogleich, daß ihn Matthews zu sprechen wünschte.
»Es hat keinen Zweck mehr, Sir«, sagte Matthews. »Wir liegen schon wieder ein ganzes Stück tiefer als vorhin. Ich meine, es wird nicht mehr lange
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