Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
Gott«, rief Carberry ein zweites Mal.
»Jetzt können Sie endlich Ihre vier Shilling einmal verdienen«, sagte Lomax.
Aber sein Spott traf nur noch den breiten Rücken des Opfers, denn Carberry verschwand bereits in aller Hast unter Deck.
»Wetten, daß es eine Kursänderung gibt«, sagte Smith, »ich setze ein ganzes Wochengeld.«
»Die Wette nimmt niemand an«, meinte Roberts.
Man konnte damit rechnen, daß es darauf hinauslief, denn Carberry, der Obersteuermann, war für die Navigation des Schiffes verantwortlich.
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, es war schon so dunkel, daß man die Gesichter der Sprechenden kaum noch unterscheiden konnte. Nur über der westlichen Kimm lag noch eine dunkle Röte und zog einen schwachen Purpurschimmer über das nachtschwarze Wasser bis zum Schiff. Die Kompaßlampen brannten, die hellsten Sterne standen schon am Himmel, und die Toppen des wiegenden Schiffes huschten unendlich hoch in kühnen Bögen darüber hin. Die Schiffsglocke schlug ein ums andere Mal ihre Glasen, aber die Gruppe der Offiziere wollte sich noch immer nicht zerstreuen. Plötzlich war die Spannung wieder lebendig, denn Buckland und Carberry kamen den Niedergang herauf. Die Offiziere wichen zur Seite, um ihnen Platz zu machen.
»Wachhabender Offizier!« rief Buckland.
»Sir?« sagte Smith und trat aus der Dunkelheit auf ihn zu.
»Kursänderung zwei Strich Steuerbord auf Westsüdwest!«
»Aye, aye, Sir, Kurs Westsüdwest. Mr. Abbott! Leebrassen!«
Die Renown drehte auf ihren neuen Kurs, und die Rahen wurden angebraßt, da der Wind jetzt nur noch einen Strich achterlicher als querein stand. Carberry trat an den Kompaß, um sicherzustellen, daß der Rudergänger auch genau der Anweisung folgte.
»Noch ein Pull an der Luvvorbraß dort!« brüllte Smith. »Fest!
Belegen!«
Das lärmende Getriebe bei der Kursänderung verebbte.
»Kurs Westsüdwest liegt an, Sir«, meldete Smith.
»Danke, Mr. Smith«, sagte Buddand von der Reling her.
Roberts nahm sich ein Herz und wandte sich an die dunkle Gestalt des Ersten Offiziers: »Können Sie uns den Auftrag bekanntgeben, Sir?«
»Nein, den Auftrag selbst noch nicht, der ist vorläufig noch geheim, Mr. Roberts.«
»Jawohl, Sir.«
»Aber ich will Ihnen sagen, welches unser Bestimmungsort ist. Mr. Carberry weiß es ohnehin schon.«
»Wohin soll es denn gehen, Sir?«
»Nach Santo Domingo - in die Scotchmans Bay.«
Eine Weile herrschte Stille, die große Neuigkeit mußte erst verarbeitet werden.
»Santo Domingo...« ließ sich einer etwas unsicher vernehmen.
»Hispaniola«, erklärte Carberry.
»... oder Haiti«, warf Hornblower ein.
»Santo Domingo - Haiti - Hispaniola«, sagte Carberry, »drei verschiedene Namen für ein und dieselbe Insel.«
»Richtig, Haiti!« rief Roberts, dem plötzlich ein Gedanke gekommen war. »Sind dort nicht die Schwarzen im Aufstand?«
»Ja«, bestätigte Buckland.
Jedem mußte auffallen, daß Buckland bestrebt war, sich so zurückhaltend wie möglich auszudrücken. Das konnte daher kommen, daß ihn dort zunächst eine schwierige politische Lage erwartete; vielleicht war die Ursache aber auch nur die, daß ihn die Furcht des Herrn trotz allem immer noch in ihrem Bann hielt.
7. Kapitel
Leutnant Buckland, zur Zeit Kommandant H. M. Linienschif Renown, vierundsiebzig Geschütze, stand auf dem Achterdeck seines Schiffes und peilte sein Glas nach den niedrigen Höhen von Santo Domingo. Die Renown rollte in einer unnatürlichen und höchst lästigen Weise, denn die lange atlantische Dünung des Nordostpassats glitt noch immer unter ihrem Kiel hindurch, während sie in den letzten leichten Puffs der Landbrise beigedreht lag, die seit Mitternacht geweht hatte und nun allmählich schlafen ging, da die glühende Sonne die Insel wieder zu erwärmen begann.
Die Renown wälzte sich förmlich in der See und holte dabei über, daß die Pforten der Unterbatterie bald an Steuerbord, bald an Backbord untertauchten. Das bißchen Brise, das überhaupt vorhanden war, wehte nämlich keineswegs genau aus der Richtung der Dünung und hatte auch nicht genügend Kraft, das schwere Schiff zu stützen, das mit backgesetztem Kreuztopp beilag. Es legte sich so weit auf die Seite, daß die Haltegiens knackend die Last der schweren Geschütze aufnahmen, die von ihnen an Ort gehalten wurden, und daß es fast unmöglich war, auf dem abschüssigen Deck Fuß zu fassen. So lag das Schiff jedesmal für ein paar bange Sekunden, kam dann endlich langsam
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