Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
einer besonders schnellen Hin- und Rückreise schon wieder in diesen Gewässern angelangt war.
Aber ein zweiter, etwas genauerer Blick verriet ihm alsbald, daß dies doch nicht der Fall sein konnte. Truscott las ihr Unterscheidungssignal ab und sah in der Liste nach.
»Korvette Clara, Kapitän Ford«, meldete er.
Die Clara war drei Wochen vor der Retribution mit Post und Depeschen nach England gesegelt.
»Die Clara an Flaggschiff«, fuhr Truscott fort: »Habe Post fü Sie.«
Die Korvette kam jetzt rasch näher. Auf dem Flaggschiff stieg eine Reihe schwarzer Bündel in den Topp, ein Ruck, und schon flatterte dort ein Signal.
»An alle Schiffe«, las Truscott mit lauter Stimme. Man merkte ihm seine Aufregung an, denn dieser Anruf bedeutete, daß das nächste Signal auch für die Renown galt. »Beidrehen!«
»Großmarsbrassen!« brüllte Bush über das Deck. »Mr. Abbott, melden Sie dem Kommandanten, das Geschwader dreht bei.«
Der Verband kam an den Wind und verlor die Fahrt, die Schiffe wiegten sich mit weichen Bewegungen in den blauen Rollern.
»Lassen Sie die Männer an den Brassen, Mr. Bush«, sagte Kapitän Cogshill. »Ich nehme an, daß wir gleich wieder vollbrassen, wenn die Post abgeliefert ist.«
Aber Cogshill hatte sich offenbar geirrt. Bush beobachtete durch sein Glas, wie der Offizier der Clara das Seefallreep des Flaggschiffs hochkletterte. Aber dann geschah lange Zeit nichts, Minute um Minute verstrich, das Flaggschiff lag immer noch beigedreht, und das Geschwader harrte leise stampfend auf den nächsten Befehl. Endlich kam er. Drüben stiegen wieder die schwarzen Bündel in den Topp. »An alle Schiffe«, las Truscott:
»Kommandanten an Bord des Flaggschiffs kommen.«
»Die Gig klar!« ließ sich Bush sofort vernehmen.
Es mußten besonders wichtige oder zum mindesten ungewöhnliche Befehle oder Nachrichten vorliegen, daß der Admiral es für nötig hielt, seine Kommandanten sofort und persönlich davon zu unterrichten. Während der längeren Wartezeit, die nun folgte, ging Bush in eifrigem Gespräch mit Buckland auf dem Achterdeck auf und ab. Ob die französische Flotte ausgebrochen war? Oder krachte es wieder einmal in der Allianz des Nordens? Vielleicht war auch der König neuerlic erkrankt. Was konnte nicht alles geschehen sein? Sicher war nur eins, es war etwas Bedeutungsvolles vorgefallen. Die Minuten verstrichen, sie dehnten sich zu halben Stunden. Etwas Schlimmes konnte es nicht sein, sonst hätte Lambert nicht so viel kostbare Zeit geopfert und das Geschwader unnötig so weit nach Lee abtreiben lassen. Endlich trug der Wind vom Flaggschiff die zwitschernden Töne de Bootsmannsmaatenpfeifen herüber. Bush hob den Kieker ans Auge. »Der erste legt ab«, sagte er.
Eine Gig nach der anderen löste sich von der hohen Bordwand des Flaggschiffs, und jetzt unterschieden sie auch schon die Gig der Renown und ihren Kommandanten achtern in der Plicht. Buckland trat ans Fallreep, um ihn zu empfangen, als er an Bord kam. Cogshill langte grüßend an den Hut, er machte einen seltsam versonnenen Eindruck. »Wir haben Frieden«, sagte er.
Der Wind trug brausende Hurras vom Flaggschiff herüber - ort mußte man also die große Neuigkeit schon bekanntgegeben haben. Man mußte die Begeisterung hören, um zu begreifen, daß der Kommandant nicht nur träumte. »Wie, Sir? Frieden?« fragte Buckland.
»Ja, Frieden. Die Präliminarien sind bereits unterzeichnet. Die Botschafter treffen nächsten Monat in Frankreich zusammen, um die Bedingungen zu formulieren, aber darum herrscht doch bereits jetzt Frieden. Alle Feindseligkeiten sind zu Ende - sie sind in allen Teilen der Welt mit dem Eintreffen dieser Nachricht einzustellen.«
»Frieden!« sagte Bush.
Neun Jahre hatte die Welt unter der Kriegsfurie gestöhnt, überall, in Ost und West, von Manila bis Panama hatten Schiffe gebrannt und Männer geblutet. Da fiel es einem schwer, zu begreifen, daß man nun mit einem Schlag auf einen anderen Planeten versetzt war, wo sich die Menschen nicht mit Kanone beschossen, sobald sie einander ansichtig wurden. Cogshill hatte wohl Ähnliches gedacht, das zeigte seine nächste Bemerkung:
»Die Schiffe der französischen, batavischen und italienischen Republiken sind fortan zu salutieren, wie es Kriegsschiffen fremder Nationen zukommt.«
Buckland pfiff durch die Zähne, als er das hörte, und das konnte man gut verstehen. Hieß es doch, daß England jetzt diese roten Republiken anerkannte, die es so lange bekämpft
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