Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
verrückter denn je, dennoch gelang es, das Tiefseelot zu gebrauchen. Die Mannschaft stand dazu an der Reling aufgereiht, einer um den anderen rief: »Achtung!«, wenn er sein Stück Leine losließ.
Achtunddreißig Faden - siebenunddreißig - wieder achtunddreißig. Drei Lotwürfe waren es im ganzen, sie nahmen eine Stunde in Anspruch, alles war naß bis auf die Haut und zu Tode erschöpft, als es geschafft war. Das Ergebnis war ein willkommener Beitrag zu den Unterlagen für die Besteckberechnung. Solange das Schiff beigedreht lag, durften außerdem die völlig ausgepumpten Rudergänger ein wenig verschnaufen, und die Nähte des Schiffs waren während dieser ganzen Zeit so viel weniger beansprucht, daß die Pumpen endlich wieder die Oberhand über das Wasser im Raum gewannen.
In der ersten wäßrigen Helle des Morgens wurde das in der Mitte beschlagene Vormarssegel von neuem gesetzt.
Hornblower war es gelungen abzudrehen, bis der Wind wieder vier Strich von achtern einfiel, ohne daß sich das Schiff dabei zum Kentern überlegte. Dann brausten sie wieder los wie zuvor, das Deck stand ständig unter Wasser, die Hotspur rollte, daß alle Verbände krachten und stöhnten. Orrock saß frierend mit seinem Kieker im Vortopp. Es wurde Mittag, bis er Land in Sicht bekam, eine halbe Stunde später kam Bush aus dem Topp zurück, wo er gewesen war, um Orrocks Entdeckung nachzuprüfen. Bush war ärger mitgenommen, als er zugeben wollte, seine schmutzigen hohlen Wangen waren mit dichten Stoppeln bedeckt, aber er konnte doch immer noch Freude und Überraschung zeigen. »Bolt Head, Sir!« schrie er. »Gut frei an Backbord voraus! Und Start Point war auch auszumachen!«
»Danke.«
Bush wollte diese nautische Leistung gebührend würdigen, obwohl er das nur schreiend bewerkstelligen konnte, aber Hornblower hatte dafür keine Zeit, keine Geduld, und um es offen zu sagen, keine Kraft. Er hatte jetzt vor allem dafür zu sorgen, daß er in dieser elften Stunde nicht zu weit nach Lee geriet, er mußte ein Ankermanöver vorbereiten, das unter den gegebenen Umständen sicherlich alles andere als einfach war.
Es galt, die Tücken des Gezeitenstroms vor Start Point in Rechnung zu stellen, es galt im Auge zu behalten, daß er so dicht wie möglich unter Berry Head an den Wind gehen mußte.
Als sie dann in Lee von Start Point gelangten, waren Wind und See mit einem Schlag wie verwandelt, diese kurzen steilen Wellen hier waren ein Nichts verglichen mit dem, was die Hotspur noch fünf Minuten zuvor an Seegang zu erdulden hatte.
Hier unter Land hatte außerdem auch der Orkan seine volle Stärke eingebüßt, er wehte jetzt nur noch als ausgewachsener Sturm, und doch trieb er die Hotspur noch immer mit fliegender Fahrt vor sich her. Da lag der Newstone und die Blackstones -
»Schwarze Steine«, genau wie die Pierres Noires in der Iroise-Bucht - und dann kam der letzte kritische Augenblick, wenn es galt, Berry Head zu runden.
»Kriegsschiffe vor Anker, Sir«, meldete Bush, der die Tor Bay mit dem Glas absuchte, als sie sich vor ihnen auftat. »Dort liegt die Dreadnought , und das da ist die Temeraire . Die ganze Kanalflotte liegt hier vor Anker. O Gott! Dort auf der Reede von Tor Bay sitzt einer auf Grund. Es ist ein Zweidecker - wahrscheinlich haben seine Anker nicht gehalten.«
»Ja, so wird es gewesen sein. Wir wollen unseren großen Buganker verkatten, ehe wir ihn fallen lassen. Am besten nehmen wir dazu die Bootskanone der Barkaß. Sie haben noch genug Zeit, das vorzubereiten.«
»Aye, aye, Sir.«
Auch in der Tor Bay wehte voller Sturm; wo ein Zweidecker auf Trift gegangen war, mußte man alle Vorsicht walten lassen und durfte den Aufwand an Kraft und Arbeit nicht scheuen, den das nach all den überstandenen Strapazen noch verlangte. Zurrte man die fünf Zentner schwere Bootskanone fünfzig Fuß hinter dem größten Buganker, der eine Tonne wog, an der Ankertrosse fest, so war immerhin anzunehmen, daß dieser Anker nicht ausgerissen und durch den Grund gezogen wurde. Unter ihrem mittschiffs beschlagenen Marssegel und einem Sturm-Kreuzstagsegel rauschte die Hotspur in die Bucht hinein, rundete unter den Augen der ganzen Kanalflotte Berry Head und strebte zuletzt am Wind auf die Pier von Brixham zu. Endlich war es Zeit aufzudrehen; während der Anker fiel, machten erschöpfte Männer das Vormarssegel fest, und dann wurden noch mit letzter Kraft die Stengen gestrichen. Prowse und Hornblower nahmen genaue Peilungen, um sicherzugehen,
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