Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
ergänzen.
Für ihn gab es jetzt nur eins, er konnte einen Teil dieses Vormittags darauf verwenden, ihr einen Brief zu schreiben, der sie für die Mängel seiner Vorgänger entschädigen sollte - dabei stellte Hornblower schlechten Gewissens fest, daß er sich das nicht etwa zum erstenmal vornahm...
Bei diesem Brief war es noch schwieriger als sonst, die gewollte Wirkung zu erzielen, weil er bei seiner Abfassung alle Möglichkeiten im Auge behalten mußte. Hornblower machte in diesem Augenblick alle Ängste eines werdenden Vaters durch.
Bis elf Uhr zwang er sich, bei dieser unerfreulichen Stilübung auszuharren, dann stieg er aufatmend und eben darob schuldbewußt auf das Achterdeck, um die Hotspur mit der letzten Flut weiter in den Goulet hineinzubringen, wobei die wohlbekannten Küsten zu beiden Seiten immer näher rückten.
Die Luft war ziemlich klar, wohl herrschte kein strahlendes Weihnachtswetter, aber der winterliche Dunst hatte sich um die Mittagszeit verzogen, als Hornblower den Befehl zum Beidrehen gab. Er war so nah an das Pollux-Riff herangegangen, wie es ihm eben noch vertretbar schien. Während er seinen Befehl gab, hallte der dumpfe Knall eines Schusses vom Petit Minou herüber. Die wiederaufgebaute Batterie feuerte ihren üblichen Schuß zur Ermittlung ihrer Reichweite. Wahrscheinlich hoffte man da drüben, daß er diesmal vielleicht zu nahe herangekommen war. Ob sie das Schiff erkannten, das ihnen seinerzeit solchen Schaden zugefügt hatte? Man durfte es annehmen.
»Ihr Morgensalut«, sagte Bush. »Ja.«
Hornblower griff mit seinen behandschuhten und dennoch kalten Händen nach dem Kieker und setzte ihn ans Auge, um wie immer in den Goulet hineinzuspähen. Dort gab es oft neue Dinge zu sehen. Heute waren ihrer eine ganze Menge.
»Auf der Reede liegen vier neue Schiffe vor Anker«, sagte Bush. »Ich meine, es sind fünf. Die Fregatte dort, die mit dem Kirchturm in eins peilt - ist sie nicht auch neu?«
»Ich glaube nicht, Sir. Sie hat nur den Ankerplatz gewechselt.
Neu sind meiner Zählung nach nur vier.«
»Ja, stimmt, Sie haben recht, Mr. Bush.«
»Sie haben alle die Rahen aufgebracht, Sir. Und - Sir, wenn Sie ihre Marsrahen einmal näher ins Auge fassen wollen...«
Hornblower hatte sein Glas bereits darauf gerichtet. »Ich weiß nicht... Was meinen Sie?«
»Sind das nicht untergeschlagene Marssegel - nach mittschiffs festgemacht?«
»Das könnte sein.«
Ein nach mittschiffs festgemachtes Segel war auf der Rah viel dünner und weniger sichtbar als ein auf die übliche Art beschlagenes, weil die Masse seines losen Tuchs vor dem Mast zu einer festen Bunsch zusammengeschnürt war.
»Ich entere selbst in den Topp, Sir. Der junge Foreman hat gute Augen, den nehme ich mit mir.«
»Gut - nein, einen Augenblick, Mr. Bush - ich mache das lieber selbst. Bitte übernehmen Sie solange das Schiff. Aber Foreman schicken Sie mir hinauf.«
Hornblowers Entschluß, selbst zu entern, zeigte deutlich, wie viel ihm daran lag, jene neuen Schiffe genau in Augenschein zu nehmen. Mißmutig stellte er alsbald fest, wie langsam und schwerfällig er geworden war; es kostete ihn Überwindung, dies vor seiner beschwingten, leichtfüßigen Mannschaft zur Schau zu stellen. Aber jene Schiffe ließen ihm keine Ruhe...
Schwer atmend erreichte er endlich die Focksaling und mußte erst eine Weile verschnaufen, ehe es ihm gelang, die Schiffe im Gesichtsfeld seines Kiekers festzuhalten. Aber beim Entern war ihm wenigstens richtig warm geworden. Foreman war bereits zur Stelle, der Ausguckposten der Wache barg sich angesichts der hohen Obrigkeit bescheiden »aus den Kinken«. Weder Foreman noch er hatten die beschlagenen Marssegel sicher ausgemacht. Beide meinten, sie zu erkennen, aber sie legten sich nicht darauf fest.
»Mr. Foreman, fällt Ihnen an diesen Schiffen vielleicht noch etwas anderes auf?«
»N - nein, Sir, das könnte ich nicht behaupten.«
»Finden Sie nicht, daß sie auffallend hoch aus dem Wasser liegen?«
»Das könnte sein, jawohl, Sir.«
Zwei der neuen Schiffe waren kleine Zweidecker - wahrscheinlich mit vierundsechzig Geschützen -, die untere Reihe der Geschützpforten lag anscheinend bei beiden ein Stück höher über der Wasserlinie, als man es bei solchen Schiffen gewohnt war. Von einer exakten Feststellung konnte dabei natürlich keine Rede sein, es handelte sich vielmehr um einen unbestimmten Eindruck, der dem Gefühl für richtige Maße, ja, man mochte sagen dem Formgefühl entsprang.
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